Freitag, 30. Mai 2008

Gysis "Gratwanderung"

Der Fall Gysi: Jagdeifer und Verweigerung (Zeit.de)

Interessanter Artikel über den Streit über Gysis mögliche Stasi-Verstrickungen.

Ausschnitt:

Manche Indizien sprechen gegen Gysi, sie nähren sehr konkret den Verdacht gegen ihn. Andere Dokumente entlasten ihn, stützten seine Verteidigung, er sei lediglich abgeschöpft worden. Sehr vieles lässt sich so und so interpretieren. Die geheimdienstliche Konspirativität tut ein Übriges, ist also ideal für einen Glaubenskrieg.

Dabei ist die Welt, die der Geheimdienste, auch die der Stasi und vor allem ihre schriftliche Hinterlassenschaft in diesem Fall, weder schwarz noch weiß, sondern eher kompliziert. [...]

Schließlich war Gysi nicht irgendein DDR-Anwalt, sondern einer der wichtigsten Anwälte von Oppositionellen und Regimekritikern. Gleichzeitig jedoch wurde er 1988 Vorsitzender des Rechtsanwaltskollegiums der DDR, dem alle etwa 500 Anwälte des Landes angehörten. Die SED hat ihm also vertraut, sonst hätte er diese Karriere nicht gemacht.

Gysi war trotzdem ein gefragter Anwalt für alle, die mit dem SED-Regime in Konflikt geraten waren. (Quelle: Zeit.de)

Die paranoide Welt des "rosa Riesen"

Lizenz zum Ausspähen (Süddeutsche.de)

Ein lesenswerter Kommentar von Hans Leyendecker zur Telekom-Spitzel-Affäre.

Ausschnitt:

Ausforschung von Redaktionsbüros, Observation von Arbeitnehmervertretern, Spähangriffe auf Gewerkschaftsbüros, das Abgleichen von Bankdaten, die Erstellung von Bewegungsbildern eines Betriebsratschefs - ist das nun Kino oder Realität?

Vielleicht haben die Handelnden ja ein Identitätsproblem. Bei dem ehemaligen Staatsmonopolisten arbeiten viele frühere Staatsdiener, und für manchen ist das Unternehmen der schützenswerte Staat. Der Fall Telekom erinnert an den Furor mancher Sicherheitspolitiker, wenn es um ihre Geheimnisse geht. Da darf nicht gefackelt werden, wenn was Vertrauliches in die Zeitung geraten ist, da muss die Strafjustiz ran, um den zu finden, der die Informationen den Presseleuten gesteckt hat. (Quelle: Sueddeutsche.de)

Mittwoch, 28. Mai 2008

Asylsuchende gelten in Deutschland nicht als vollwertige Menschen

Zweierlei Grundrechtsschutz (Telepolis.de)

Ausschnitt:

Während die Bundesregierung bei anderen Staaten auf Einhaltung der Menschenrechte pocht, leben hier Flüchtlinge im rechtlichen Abseits. Alltägliche Realität: Die Grundrechte von Flüchtlingen werden in Deutschland dauerhaft angegriffen. Tatsächlich gebe es "zweierlei Grundrechtsschutz für MigrantInnen und Deutsche" – so urteilen die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl und kritische Juristen wie der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein. (Quelle: Telepolis.de)

Ex-Vorstand der Spitzelkom belastet Ricke und Zumwinkel

Ex-Vorstand belastet Ricke und Zumwinkel (Handelsblatt.com)

Ausschnitt:

Heinz Klinkhammer, der frühere Personalvorstand der Deutschen Telekom, sagte dem Handelsblatt: "Der Mitarbeiter der Konzernsicherheit, der diesen Auftrag bekommen hat, hat mir versichert, dass Ricke und Zumwinkel ihm in der Angelegenheit einen Maulkorb erteilt haben." [...]

"Dieser Auftrag, die Lücken für die Indiskretionen zu finden und zu schließen, ist an mir sowie am Chef der Konzernsicherheit vorbei aus dem Umfeld Ricke und Zumwinkel erteilt worden", sagte Klinkhammer. Und weiter: "Der Mann, der diesen Auftrag hatte, durfte weder mit mir noch mit seinem Chef darüber sprechen." (Quelle: Handelsblatt.com)

Deutsche Spitzelkom-Affäre: Auch Obermann gerät ins Visier

Beispielloser Skandal (Handelsblatt.com)

Ausschnitt:

Schon jetzt aber ist klar, dass auch der amtierende Telekom-Chef René Obermann ins Visier gerät. Nicht nur, weil er damals bereits als Vertrauter Rickes zum innersten Führungskreis gehörte. Sondern vor allem wegen der Vorgänge im Sommer letzten Jahres: Nach eigenen Angaben war Obermann zu dieser Zeit mit einem „Einzelfall“ von illegaler Spitzelei befasst, der zur Entlassung des damaligen Sicherheitschefs der Telekom führte. Die Hauptfrage ist nun: Hat Obermann tatsächlich alles getan, um die Hintergründe dieser Sache aufzuklären, oder nicht?

Bleibt am Ende auch nur der Hauch eines Verdachts, dass Obermann damals die Aktendeckel zu schnell wieder zuklappte, dann wird es eng für ihn. (Quelle: Handelsblatt.com)

Wie die Spitzelkom Journalisten überwachte: Chef der beauftragten "Sicherheitsfirma" packt aus

Telekom-Datenspion packt aus: "Auftrag von oben" (Handelsblatt.com)

Ausschnitt:

Er habe direkt von der Telekom das Material mit allen Telefonverbindungen des "Capital"-Journalisten erhalten. Nach langem Suchen und Sortieren sei er bei dieser sogenannten "Operation Rheingold" fündig geworden: Unmittelbar vor Erscheinen des Artikels hatten Wegner und der Journalist miteinander telefoniert. [...]

Ein halbes Jahr später, Anfang 2006, sei die Konzernsicherheit erneut auf ihn zugekommen, weil wieder interne Telekomunterlagen in den Medien auftauchten. Kühn startete die zweite Operation mit Decknamen "Clipper": Zunächst habe er Presseberichte darauf untersucht, ob sie auf Geheimmaterial der Telekom basierten. Fündig wurde er bei drei Magazin-Reportern. Deren Verbindungsdaten habe er dann monatlich von der Telekom erhalten und mit Dienstanschlüssen des Unternehmens abgeglichen. (Quelle: Handelsblatt.com)

Damit ist klar: Die Deutsche Telekom nutzt die millionenfachen und extrem sensiblen Verbindungsdaten ihrer zahlenden Kunden, um damit ihren Marktwert (hier indirekt durch die Kontrolle von Presseinformationen) zu erhöhen. Damit unterscheidet sich die Telekom nicht von einem Unternehmen, dass diese Verbindungsdaten direkt beispielsweise an halbseidene Data-Broker verkauft. Es ist ein Vertrauensbruch gegenüber den Kunden, wie er tatsächlich schlimmer nicht vorstellbar ist.

Dienstag, 27. Mai 2008

Wie die Spitzelkom auch jenseits von Journalistenbespitzelung Druck auf Presse ausübte

Abhörskandal bei der Deutschen Telekom: Die Macht des Geldes (Süddeutsche.de)

Ein Artikel von Hans Leyendecker über die Machenschaften der Deutschen Telekom, um die Presse in ihrer Berichterstattung über das Unternehmen vermutlich teilweise durch eine Art Anzeigenboykott zu beeinflussen.

Ausschnitt:

Es gibt viele Geschichten, die über die heimliche Werbemacht Telekom in Redaktionen erzählt, und wenige, die zu dem Thema gedruckt wurden.

Die Telekom hat jedes Jahr einen Werbeetat von etlichen Hundert Millionen Euro, und es gibt den Verdacht, dass sie in der Vergangenheit ihre Macht eingesetzt hat, um unbotmäßige Berichterstattung abzustrafen. (Quelle: Süddeutsche.de)

Ethikverband befürchtet Imageschaden für Spitzelkom

Ethikverband: "Krimineller Sumpf" bei der Telekom (Heise.de)

Der Ethikverband der Deutschen Wirtschaft sieht wegen des vermutlich kriminellen Sumpfes bei der Deutschen Telekom das Ansehen der Telekom nachhaltig beschädigt.

Vermute ich leider nicht. Die Kunden kapieren in der Mehrzahl vermutlich gar nicht, was die Telekom so Verwerfliches gemacht hat. Ansonsten hätte es ja auch längst einen viel breiteren Protest der Bevölkerung gegen die Vorratsdatenspeicherung geben müssen. Also alles okay. Imagemäßig zumindest.

Spitzelkom: Auch Firmenhandys von Journalisten wurden evtl. abgehört

Telekom-Spitzelaffäre: Datenschützer fordern scharfe Strafen (Spiegel.de)

Ausschnitt:

Aus dem Unternehmen hieß es am Montag, möglicherweise habe sich die Aktion auch auf Verbindungsdaten von Journalisten erstreckt, die über die Telekom berichteten - und auf Daten von Firmen-Handys der einschlägigen Publikationen. (Quelle: Spiegel.de)

Wie niedrig muss ab sofort der "Presse-Rabatt" sein, damit Journalisten und deren Arbeitgeber weiterhin Dienstleistungen der Spitzelkom in Anspruch nehmen?

Weil Bauern überfordert waren mit kompliziert zu behandelndem neuen Saatgut, mussten viele Bienenvölker sterben

Insektizid: Tausende Bienenvölker bedroht (Zeit.de)

Die Bienen sterben anscheinend wegen eines neu (und falsch) eingesetztes Insektizids bei der Mais-Aussaat. Die Nebenwirkungen des Insektizids waren wohl nicht ausreichend bekannt oder wurden von der Herstellerfirma "Bayer Crop-Science" nicht ausreichend kommuniziert. Auf jeden Fall hatten viele Bauern keine Ahnung, wie sie die mit Insektiziden vorbehandelten Maiskörner richtig behandeln mussten bei der Aussaat.

Fehler im System, würde ich sagen.

Kürzungen im Sozialbereich: Rationalisierte Jugendämter und Helfer in der Not

Sozialarbeit: Rationalisierte Jugendämter und Helfer in der Not (Zeit.de)

Ein extrem lesenswerter Artikel, der anschaulich schildert, wie Politiker und Beratungsfirmen die Sozialbehörden und deren Arbeit kaputt machen. Wie sie aneinander vorbei reden, wie keiner den anderen versteht, wie die Politiker nicht einmal ahnen, dass sie mit ihrem Gerede, da und dort die Sozialleistungen beschneiden zu müssen, um andere Teile zu retten, das gesamte System der staatlichen Hilfe in den Abgrund ziehen.

Ausschnitt:

Die Not in den Familien nimmt zu, staatliche Hilfen werden gekürzt. Wie viel Rationalisierung ist erlaubt, wenn es um das Leben gefährdeter und vernachlässigter Kinder geht? Ein Frontbericht aus Berlin-Wedding, wo "Case-Manager" den Sozialarbeiter ersetzen sollen. [...]

In Bremen hatte man vor Kevins Tod ein Drittel des Personals in der Abteilung "Junge Menschen" gekürzt, nachdem eine Unternehmensberatung ein Sparziel von fünf Millionen Euro verordnet hatte; in Schwerin hatte man innerhalb von zehn Jahren ein Viertel der Sozialarbeiter abgeschafft.

Überall sind die Kassen der Kommunen klamm, deshalb werkelt man in den Ämtern an den Strukturen, streicht Stellen und kürzt Leistungen, und dabei scheint es, als sei der Bedarf an Schutz und Hilfe nie so groß gewesen. Nach einem Bericht der Regierung leben in Deutschland 2,5 Millionen Kinder unter der Armutsgrenze, in Berlin ist es fast jedes dritte. Seit Anfang der Neunziger hat sich die Zahl der Familien, die vom Jugendamt betreut werden, versechsfacht. In Talkshows fordern Politiker gern neues Personal und bessere Frühwarnsysteme, tatsächlich aber müssen in den Jugendämtern immer weniger Mitarbeiter immer mehr Fälle bearbeiten. (Quelle: Zeit.de)

Kinder sind halt wunderbar wehrlose Opfer jeglicher Sparpolitik - wenn es denn eine "Sparpolitik" wäre. Das ist es aber häufig gar nicht:
Bis zur Hartz-Reform schickten die Kollegen vom Sozialamt einen Prüfer in die Wohnung, wenn ein Klient Bedarf auf eine Waschmaschine angemeldet hatte. Heute überweist das Jobcenter Pauschalbeträge für solche Anschaffungen. Es ist, als räume der Staat freiwillig das Feld. Als lege er es darauf an, am Ende draufzuzahlen. Eine Familienhilfe, die frühzeitig zur Stelle ist, kostet 270 Euro in der Woche, ein Heimplatz, den man braucht, wenn es zu spät ist, knapp 1400. (Quelle: Zeit.de)

Was ist in den 90iger Jahren passiert? Was hat diese absolut irre Politik verursacht und was lässt uns weiter daran festhalten - über alle Parteigrenzen hinweg (denn in Berlin ist zur Zeit gerade auch die Linkspartei für die Sparpolitik im Kinder- und Jugendbereich verantwortlich)? Warum hat Baden-Württemberg Milliarden Euro zur Verfügung, um einen neuen Hauptbahnhof in Stuttgart zu bauen, der vermutlich gar nicht nötig ist und warum werden gleichzeitig in Berlin große Teile einer ganzen Generation von Kindern einfach so "weggekippt"?

Hilfe! Geld und Besitz sind plötzlich uncool! Die Wirtschaft bricht zusammen!

Die neue Bequemlichkeit der Deutschen (Welt.de)

Es wäre wirklich schade, wenn es die Tageszeitung "Die Welt" nicht mehr gäbe. Dann würde es nämlich auch nicht mehr solche lustigen Artikel geben, in denen beispielsweise davor gewarnt wird, dass die Deutschen neuerdings Freizeit und Wohlergehen wichtiger finden als bis zur Erschöpfung zu malochen und Geld anzuhäufen.

Der Artikel machte wirklich meinen Tag, wie man neuerdings so sagt im Denglischen. Er ist so herrlich bescheuert, wie eben nur bestimmte Artikel von Welt.de es sein können.

Ausschnitt:

Die Deutschen erachten Wirtschaftswachstum für wichtig – sind aber in der großen Mehrheit nicht bereit, sich selbst dafür anzustrengen. Das prangert Wirtschaftsforscher Meinhard Miegel in der Studie "Der programmierte Stillstand" an. Freizeit und Freunde sind den Bürgern heute wichtiger als Geld und Besitz. (Quelle: Welt.de)

Schlimm, schlimm. Vielleicht sollte man da ein Gesetz erlassen, das vorschreibt, den Umgang mit Freunden auf ein "gesundes" Maß zu beschränken?

Aber natürlich dient auch dieser Artikel nur einer billigen neoliberalen Propaganda: Er will dafür werben, die wenigen Deutschen, die noch "leistungsbereit" sind, nicht durch weitere Abgaben zu vergraulen und den Armen zu sagen, dass ein einträgliches Einkommen doch bitte schön nicht alles ist, denn Freizeit und Freunde seien doch auch schön.

Fällt wirklich irgendjemand noch auf dieses durchsichtige Propaganda-Geschreibsel herein? Naja, anscheinend. Es gibt ja auch anscheinend immer noch genug Deppen, die die Scheiß-Sendung "Anne Will" am Sonntagabend angucken.

Polizeiverband will Telekom die Daten entziehen

Polizei-Verband will Telekom die Daten entziehen (Welt.de)

Und die Verbindungsdaten stattdessen zentral beim Staat horten. Da wären sie dann sicher.

Äh. Ja. Wer's glaubt...

Mal sehen, wie lange es dauert, bis es eine wirkliche Professionalisierung des Datenschutzes gibt. So mit Datenschutzzertifizierungen von Hardware und Software und Betriebsabläufen und extra Forschungsinstituten und wirklich unabhängigen Datenschutzbehörden. Mit einem angemessen ausgearbeiteten und detaillierten Strafrecht und einem angemessenen Strafkatalog. Mit einer extra Strafverfolgungsbehörde, die Datenschutzvergehen nachgeht. Mit einer Task-Force, die, ähnlich wie zum Beispiel bei Flugunfällen, ermittelt, warum bekanntgewordene Datenschutzpannen passieren konnte und die anschließend die Vorschriften zum Schutz der Daten anpasst an die neuen Erkenntnisse, um zukünftige Datenschutzpannen zu verhindern.

100 Jahre? Vermutlich.