Mittwoch, 30. April 2008

In italienischen Weblogs lebt der Traum von der direkten Demokratie

Statt Gewehren das Internet als "Waffe" (Netzeitung.de)

Ein interessanter Artikel über einen Mann, der in Italien Menschenmassen bewegt. Nein, nicht über Silvio Berlusconi, der bewegt höchstens Geldmassen, sondern über Beppe Grillo, einen überparteilichen Blogger, der mit seinem Weblog viele erreicht und ein neues politisches System direkter Demokratie, jenseits der Parteiendemokratie, anstrebt. Solch ein Mann würde in Deutschland sicherlich vom Verfassungsschutz beobachtet werden (mich würde eh interessieren, wieviele Blogger in Deutschland bereits vom Verfassungsschutz observiert werden...).

Wenn hier in Deutschland bald mehr über Beppe Grillo gesprochen oder geschrieben werden wird, darf man auch bald bei Welt, Zeit, Spiegel, FAZ und so weiter Artikel erwarten, die ihn entweder lächerlich machen wollen oder dämonisieren werden, diesen Beppe Grillo. Wetten? Auf die Neoliberanskis und ihren Medieneinflus ist Verlass. Abwarten. Denn eine Demokratie ohne Parteien würde vor allem dem Einfluss der Lobbyisten schwer zusetzen.

Ausschnitt:

Er wolle das Publikum nicht erziehen, betont Grillo. Ihm gehe es darum, dass die Menschen bestimmte Dinge erfahren, die sonst verborgen blieben. [...] Mit seiner Kritik spricht er vielen aus dem Herzen. Sein Erfolg gründet im radikalen Glauben an die direkte Demokratie: Die Bürger sollen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, anstatt die Verantwortung in Wahlen an Parteien zu delegieren. Darum geht er auch nicht selbst in die Politik und wird zu einem Teil des Systems werden. [...]

Sein Ziel ist es, Bürgerlisten zu bilden. Darüber sollen die Italiener besonders die lokal wichtigen Themen wie Wasser, Strom oder Müllabfuhr selbst organisiseren und verwalten. Ihr Kommunikationskanal: das Internet. Grillos Philosophie ist nicht ein Land ohne Parlament, sondern ein Land ohne Parteien, in denen sowie in den Machtinteressen einer aufgeblähten Bürokratie er die Wurzel allen Übels sieht. (Quelle: Netzeitung.de)

Folter-Sondergerichte in Guantánamo: Freispruch ausgeschlossen

Davis kritisiert Verfahren in Guantánamo (Netzeitung.de)

Die Sondergerichtsverfahren in Guantánamo beweisen, wie nötig eine saubere Gewaltenteilung ist. In Guantánamo spielt die Exekutive die Judikative mit dem Ergebnis, dass vor Verhandlungsbeginn feststeht, wer der Schuldige ist. Und natürlich sind auch Foltergeständnisse zugelassen. Guantánamo ist eine schlechte Karikatur. Guantánamo ist ein Menetekel dafür, was passiert, wenn der Rechtsstaat ausgeschaltet wird.

Zur Erinnerung: Schäuble fragte jüngst noch nach sinnvollen Alternativen zu Guantánamo... Und so jemand ist (immer noch!) "Verfassungsminister" in Deutschland...

Ausschnitt:

Der frühere Pentagon-Chefankläger in Terrorismus-Fällen, Morris Davis, hat das Verfahren zur Verurteilung von Häftlingen im US-Gefangenenlager Guantánamo Bay auf Kuba scharf kritisiert. [...] Den - inzwischen pensionierten - Hauptjustizberater des Ministeriums, William Haynes, zitierte Davis der «Washington Post» zufolge mit den Worten, es könne keine Freisprüche in den Verfahren geben. Freisprüche ließen sich nicht erklären, nachdem man die Terrorverdächtigen in Guantánamo so lange festgehalten habe. Viele von ihnen befinden sich bereits seit Ende 2001 in dem Lager. (Quelle: Netzeitung.de)

"Sachsen-Sumpf" Produkt eines überdrehten Verfassungsschutzes

Kein Sumpf, nirgends (Frankfurter Rundschau)

Ausschnitt:

Die "sizilianischen Verhältnisse" in Sachsen gab es nicht / Staatsanwälte stellen Ermittlungen ein [...]

Das ist vermutlich das Ende einer Affäre, die wenig bis nichts mit der Mafia, dafür aber mehr mit ungeheuerlichen Schlampereien im Landesamt für Verfassungsschutz, Hysterie und Leichtfertigkeit von Medien und einem schusseligen Minister zu tun hatte. [...]

Der Sumpf war eine Erfindung überdrehter Schlapphüte. [...] Hinter vorgehaltener Hand hieß es: Vor allem eine durchgeknallte Mitarbeiterin stecke dahinter, deren Karriere einmal einen Knick nach unten gemacht habe. (Quelle: FR-Online.de)

Kein Sachsen-Sumpf

Wie ein Sumpf versandet (Frankfurter Rundschau)

Der Kommentator der Frankfurter Rundschau stellt fest, dass von einem mafiösen Sumpf, in den Politiker und Justizangestellte verwickelt seien in Sachsen nichts mehr zu sehen sei. Unabhängige Ermittler hätten nichts finden können. Beklagt wird, dass die Medien über diese unspektakuläre Nachricht nicht in ausreichendem Maße aufklären würden.

Bleibt die Erkenntnis, dass die Trennung von Geheimdiensten (Verfassungsschutz) und Polizei Sinn ergibt. Denn der Verfassungsschutz scheint Gespenster gesehen zu haben. Hätte der Verfassungsschutz polizeiliche Befugnisse gehabt, wäre vermutlich ein noch größerer Schaden entstanden.

EU-Kommission will Informationsfreiheit wieder beschränken - Blick in die Karten stört halt beim Pokern

Bürgerrechtler: EU-Kommission will Informationsfreiheit einschränken (Heise.de)

Die EU-Kommission will sich nicht mehr so leicht in die Karten schauen lassen. Klar, es geht ja auch ums Pokern und nicht um transparente, demokratisch kontrollierte Politik.

Ausschnitt:

Die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch beklagt, dass die EU-Kommission die Räder bei der Informationsfreiheit zurückdrehen will. Der zivilgesellschaftlichen Organisation ist ein Entwurf zur Novelle der seit 2001 bestehenden TML Regelungen zur Akteneinsicht vorab in die Hände gefallen. Laut dem Papier (PDF-Datei), das am morgigen Mittwoch von der Kommission offiziell verabschiedet werden soll, bestünde ein Zugangsrecht nur noch zu Gesetzesentwürfen. Hunderttausende andere von der Kommission selbst oder vom EU-Rat produzierten oder in Empfang genommenen Dokumente müssten laut der Statewatch-Analyse (PFD-Datei) nicht mehr auf Anfrage herausgegeben werden. (Quelle: Heise.de)

Lobbyisten und korrupte EU-Politiker machen vermutlich jetzt gerade einen Dauerfreudensprung.

Zwei unterschiedliche Urteile dazu, ob IP-Adressen Bestandsdaten oder Verkehrsdaten sind

Zwei Urteile beschäftigten sich (indirekt) mit der Frage, ob die IP-Adressen von Surfern Bestandsdaten oder Verkehrsdaten sind:

Keine Akteneinsicht bei Filesharing-Vorwürfen (Heise.de)

Das Landgericht München I urteilt, dass die Identität eines Surfers von der Staatsantwaltschaft nicht einfach einem klagenden Anwalt mitgeteilt werden darf, wenn es nur um zivilrechtliche Ansprüche des klagenden Anwalts geht.

Ausschnitt (Hervorhebungen von mir):

Bei ihrer Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Akteneinsicht stellte die 5. Strafkammer des Landgerichts München I fest, dass die Staatsanwaltschaft die Interessenabwägung gemäß Paragraph 406e Abs.2 StPO zutreffend vorgenommen hatte. Dabei verwarf das Gericht den von der Klägerpartei vorgebrachten Vergleich, die Abfrage der zu einer IP-Nummer und einem Zeitpunkt gehörigen Personendaten würde lediglich einem Blick in ein Telefonbuch gleichen und rückte das Bild dahingehend zurecht, dass es eher darum geht "wer mit wem was am Telefon besprochen hat".

Insgesamt kam das Gericht zu der Ansicht, dass bei solch einer Akteneinsicht wegen Filesharingvorwürfen einem "erheblichen Eingriff" lediglich "fragliche zivilrechtliche Ansprüche" gegenüberstehen. Dabei spielte neben der Berücksichtigung der informationellen Selbstbestimmung, des Fernmeldegeheimnisses und der Persönlichkeitsrechte der Anschlussinhaber auch eine Rolle, dass mit dem bloßen Vorbringen einer gespeicherten IP-Nummer "deren eigene strafrechtliche Verantwortlichkeit für den Urheberrechtsverstoß nicht bewiesen ist". (Quelle: Heise.de)

Könnte man aus diesem Urteil folgern, dass das Landgericht München I in den IP-Adressen eher Verkehrsdaten und nicht Bestandsdaten sieht?

Anders das Landgericht Offenburg:
LG Offenburg: Ermittlung von Tauschbörsennutzern durch Staatsanwaltschaft oder Polizei ist zulässig (Heise.de)

Das Landgericht Offenburg sieht in der Zusammenführung von IP-Adressen mit den realen Adressdaten der Kunden anscheinend keine Erhebung von Verkehrsdaten. Die Folge wäre, dass Staatsanwaltschaften und die Polizei ohne richterliche Genehmigungen auf die Daten der Vorratsdatenspeicherung zugreifen dürfen, sofern "nur" abgefragt wird, welche IP-Adresse zu welchem Zeitpunkt wem gehörte. Dies seien Bestandsdaten und nicht Verkehrsdaten.

Ausschnitt:
Knackpunkt in der Begründung ist die Einordnung der zu ermittelnden Daten. Handelt es sich um so genannte Verkehrsdaten, steht die Providerauskunft unter Richtervorbehalt. Geht es aber um Bestandsdaten, sind Staatsanwaltschaften und auch die Polizei auskunftsberechtigt. Das LG Offenburg geht nun davon aus, dass es sich bei Name und Postanschrift eines Providerkunden um Bestandsdaten im Sinne des Paragrafen 3 Abs. 3 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) handelt. "Ausdrücklich ist dies allerdings auch der jetzt geltenden Fassung des TKG oder der StPO nicht zu entnehmen", betonen die Richter. [...]

Folgt man dieser Auslegung, ist die Auskunftserteilung auch nicht durch jene einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts tangiert, die den Behördenzugriff auf die Vorratsdaten außer bei schweren Straftaten verbietet. Denn hier ist nur der Zugriff auf Verkehrsdaten, nicht aber auf Bestandsdaten gemäß des neuen Paragrafen 113 Satz 1 Halbsatz 2 TKG geregelt. Gemäß der rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichts Offenburg müssen Provider folglich sowohl Staatsanwaltschaft als auch Polizei jederzeit Auskunft zu Anschlussinhabern hinter IP-Adressen geben. (Quelle: Heise.de)

Die Schlussfolgerung müsste eigentlich lauten: IP-Adressen sind Verkehrsdaten, denn sie teilen mit, was jemand im Internet wo angeschaut hat. Wer dieser Jemand tatsächlich war, offenbaren dann die Bestandsdaten der Provider. Das Wissen darüber, welche IP-Adresse wann welches Internetangebot angeschaut hat (Verkehrsdaten) ist so lange nicht brisant, so lange man nicht die Bestandsdaten kennt. Die Bestandsdaten der Provider sind so lange nicht (ganz so) brisant, so lange man nicht weiß, was der Kunde im Internet angeschaut hat. Die Abfrage von Bestandsdaten, um sie mit IP-Adressdaten zusammenführen zu können, wäre nach der Logik des gesunden Menschenverstandes meist immer eine Erzeugung von brisantem "Verkehrsdatenwissen", auch wenn Staatsanwaltschaft und Polizei nur "harmlose" Bestandsdaten bei den Providern abfragen.