Freitag, 11. Januar 2008

Keine demokratisch einwandfreie Wahlen: Beobachter in Georgien wurden ausgetrickst

Ausgetrickste Beobachter (Frankfurter Rundschau)

Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in Georgien stand noch nicht fest, als westliche Beobachter sich bereits überschlugen, dem alten Präsidenten Michail Saakaschwili einen Persilschein für die Abhaltung einer demokratischen Wahl auszustellen. [...] Die Beobachter haben sich damit gründlich diskreditiert. Tatsächlich tat die Demokratie einen Schritt zurück in Georgien [...]. Die Schummeleien finden nicht nur im Wahllokal am Wahltag statt, sondern im Wahlkampf und bei Auszählung und Weiterverarbeitung der Stimmen [...]. Die OSZE sollte ihre Langzeitbeobachtung ausbauen und die Kurzzeitbeobachter ersatzlos streichen. Vor allem sollte sie sich für eine - auch vorläufige - Beurteilung einer Wahl wesentlich mehr Zeit lassen als bisher. (Quelle: FR-Online.de)

Hart aber unfair: Plasbergs ARD-Krawallplauderstunde zu "Jugendgewalt"

"Wurde der gar nicht gebrieft?" (Berliner Zeitung)

Eine lesenswerte, kritische Analyse der letzten Sendung "Hart aber Fair" zum Thema "Jugendgewalt".

Ausschnitt:

Ganz am Ende der Sendung wollte Frank Plasberg wissen, bei welchem Gesprächspartner sich die Teilnehmer seiner Diskussionsrunde denn gerne einmal bedanken würden. "Bei niemandem", antwortete der Pädagoge Hans Scholten entnervt. Gerne hätte er mehr über seine Arbeit mit gewalttätigen Jugendlichen gesprochen, doch dazu habe er ja leider kaum Gelegenheit gehabt. Schon vorher hatte er angemerkt, dass er die gegenwärtige Debattenkultur - nicht die Debatte an sich - schlichtweg "zum Kotzen" finde. Und ja, man konnte Scholten gut verstehen. (Quelle: BerlinOnline.de)

Dienstag, 8. Januar 2008

Der Schutz der Familie gilt in Deutschland nicht unbedingt für Ausländer

Petition für Wiederzusammenführung der Familie Salame/Siala, Unterstützer im Hungerstreik (Che's Warlog)

Ausschnitt:

Der evangelische Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt und das katholische Dekanat Hildesheim sind im Fall der im Februar 2005 abgeschobenen Hildesheimerin Gazale Salame mit einer Petition an den Landtag herangetreten.

Superintendent Helmut Aßmann und Domkapitular und Stadtdechant Wolfgang Osthaus bitten darum, Gazale Salame und ihre zwei kleinen Kinder aus "humanitären Gründen" wieder in den Landkreis Hildesheim zurückkehren zu lassen. Dort lebt ihr Ehemann Ahmed Siala mit den beiden älteren Töchtern. Die gebürtige Libanesin Gazale Salame war im Februar 2005 gemeinsam mit ihrer damals 18 Monate alten Tochter in die Türkei abgeschoben worden. Salame war im dritten Monat schwanger. Ihr Mann durfte mit den älteren Kindern in Deutschland bleiben, aber auch ihm wurde das Aufenthaltsrecht entzogen. In der Petition erklären Osthaus und Aßmann, dass "die fortdauernde Trennung der Familie die Glaubwürdigkeit unserer eigenen Werteentscheidungen untergräbt".

Der Sprecher der Hildesheimer Initiative "Menschen für Menschen", Andreas Vasterling, ist unterdessen in einen Hungerstreik getreten. Er will ihn erst beenden, wenn sich Innenminister Uwe Schünemann nicht mehr "gegen einen humanitären Umgang mit der Familie Siala/Salame sperrt". (Quelle: Che2001.Blogger.de)

Streit um Staatsrechtler Depenheuer: Terroristen und Staatsfeinde als "Unpersonen"

Freiwillige vor für das Bürgeropfer! (Telepolis.de)

Ausschnitt:

Der Staatsrechtler Otto Depenheuer, dem Wolfgang Schäuble zugeneigt ist, propagiert das Feindstrafrecht, für das Feinde "Unpersonen" sind. [...] Wolfgang Wieland von der Bundestagsfraktion der GRÜNEN nannte Depenheuers "Selbstbehauptung des Rechtstaates" kürzlich in einer Parlamentsdebatte eine "Kampfschrift gegen das Bundesverfassungsgericht". [...] Mit Hegel und Hobbes versucht Depenheuer zu begründen, warum der Einzelne im Extremfall das eigene Leben der Gemeinschaft zu opfern habe. (Quelle: Telepolis.de)

Ausländer nicht gewaltbereiter als Deutsche

Nur in Statistik mehr Jugendgewalt (Netzeitung.de)

Ausschnitt:

"Die polizeiliche Kriminalstatistik ist eher eine offizielle Wahrnehmungsstatistik. Wie die Realität aussieht, ist eine ganz andere Frage" [...]. Wird neben der Herkunft auch der soziale Status der Verdächtigen ausgewertet, zeige sich, dass der Migrationshintergrund gar nicht der springende Punkt sei. Alle Menschen aus sozial schwachem Umfeld würden eher kriminell - egal ob Deutsche oder Ausländer. (Quelle: Netzeitung.de)

Gerichtsurteil: Vater muss Internet-Anschluss nicht kontrollieren

Vater muss Internet-Anschluss nicht kontrollieren (Netzeitung.de)

Ausschnitt:

Von einem Internet-Anschluss aus waren illegal Musiktücke ins Netz gestellt worden. Da ein Gericht nicht feststellen konnte, welches Familienmitglied dafür verantwortlich war, wurde niemand bestraft. [...] Ein Anschlussinhaber, der anderen Personen die Internetnutzung ermöglicht, muss diese nur dann instruieren und überwachen, wenn er konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass die Nutzer den Anschluss missbrauchen könnten, wie das Gericht befand. (Quelle: Netzeitung.de)

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gerichtsurteil in Bayern: Transparent gegen Faschismus entrollen ist kein Verbrechen

Protest ist kein Verbrechen (Junge Welt)

Ausschnitt:

Das Vorgehen der bayerischen Polizei gegen den nord­rhein-westfälischen Landesgeschäftsführer der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes–Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), Jürgen Schuh, war rechtswidrig. Das stellte das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen am 6.Dezember 2007 fest. Schuh hatte am 27.Mai 2007 mit drei weiteren Mitstreitern während des Pfingsttreffens der "Gebirgsjägerkameradschaft" im oberbayerischen Mittenwald ein Transparent mit der Aufschrift "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen" entrollt. Daraufhin wurde er von Beamten der Spezialeinheit "USK" festgenommen, in eine Arrestzelle gesperrt und einer Leibesvisitation unterzogen. (Quelle: JungeWelt.de)

Gewalttätige Jugendliche bessern sich nicht durch Gewaltandrohungen

Agressive Jugendliche wollen bezwungen werden (Welt.de)

Ausschnitt:

Der Kinder- und Jugendpsychologe Wolfgang Bergmann erzählt aus seiner therapeutischen Praxis: Warum wir nicht mit Gewalt auf Gewalt antworten sollten, warum sich aggressive Kinder nach erwachsener Gelassenheit und klaren Autoriäten sehnen - und warum das alles kein pädagogischer Kitsch ist. (Quelle: Welt.de)

Zahlen belegen: Roland Koch hat etliche Stellen bei Polizei und Justiz abgebaut

Koch - der Mann mit zwei Gesichtern (Süddeutsche.de)

Ausschnitt:

Wie auch immer man rechnet - der Stellenabbau lässt sich nicht von der Hand weisen, wurde er doch per Gesetz beschlossen. Unter dem Titel "Operation sichere Zukunft" verordnete die CDU dem Land 2003 eine Radikalkur.

Die Bilanz dieser Verschlankung konterkariert vieles von dem, was Koch und seine Getreuen nun täglich propagieren. So wurden zahlreichen Trägern, die sich um straffällig gewordene Jugendliche kümmern, bereits im Jahr 2004 sämtliche Mittel gestrichen, darunter Vereinen der Jugendhilfe und der Jugendkonflikthilfe. Auch die Mittel für die Opfer- und Zeugenberatung wurden gekürzt, ebenso die Mittel für die ehrenamtliche Bewährungshilfe. Die Unterstützung von Projekten, die auf die Haftentlassung vorbereiten, wurde um knapp 70 Prozent reduziert, wodurch mehrere Einrichtungen plötzlich vollkommen ohne Zuschuss dastanden. (Quelle: Süddeutsche.de)

Und was ist eigentlich mit dem Thema "Bildung"? Vielleicht war das ja das eigentliche Ziel von Koch, von diesem Thema und den Versäumnissen Hessens abzulenken?

Montag, 7. Januar 2008

In NRW gibt es kein "Erziehungscamp" - Minister informierte falsch

NRW-Posse um Jugendstrafrecht: Das falsche Erziehungscamp (Spiegel.de)

NRW eröffnet das erste "Erziehungscamp" für straffällig gewordene Jugendliche? Alles Quatsch.

Ausschnitt:

Voraussichtlich ab März solle das Camp 20 bis 25 jugendliche Intensivtäter im Alter zwischen 14 und 18 Jahren aufnehmen, hieß es in dem Interview mit der "Rheinischen Post". Auch wenn das Haus mit Militär-Drill nach amerikanischem Vorbild nichts gemein habe, werde die Einrichtung das erste geschlossene Heim in NRW sein, sagte der Minister.

Doch das Projekt mit dem Namen "Ausblick" in Bedburg-Hau wird lediglich acht Jugendliche zwischen zwölf und 15 Jahren aufnehmen. "Es ist keine geschlossene Einrichtung", betont Pressesprecher Ulrich Schäfer gegenüber SPIEGEL ONLINE. Vielmehr sollen die Jugendlichen in dem Haus der Kaiserswerther Diakonie unterrichtet werden und in Werkstätten arbeiten. "Der Begriff Erziehungscamp entspricht nicht unserem Konzept", sagt Schäfer. Zwar dürften die Jugendlichen nicht ohne einen Betreuer das Gelände, einen sanierten Bauernhof, verlassen. "Aber Gitter oder Stacheldraht werden Sie bei uns nicht finden." [...] (Quelle: Spiegel.de)

Zugezogene Vorhänge bei Ferienhaus? - Panik bei Provinzpolizei!

Terror im Liebesnest (Taz.de)

Die Taz mit weiteren Details zum "Terror-Überfall" der niedersächsischen Polizei auf ein deutsches Flitterwochenpärchen.

Ein arabischstämmiger Mann mit seiner deutschstämmigen Frau machen in einem Ferienhaus in der niedersächsischen Provinz (Lüneburger Heide) Urlaub in einem Ferienhaus. Und weil sie die Vorhänge den ganzen Tag zugezogen haben, verständigen Dorfbewohner direkt das LKA. Das LKA schickt die örtlichen Polizisten vor. Diese nähern sich dem Ferienhaus mit Schutzwesten und dringen ohne Durchsuchungsbefehl in das Haus ein.

In Deutschland reichen inzwischen die verrücktesten, schwächsten, halbseidensten, unsinnigsten, unglaubwürdigsten Verdächtigungen, damit die Polizei ohne weitere Informationen einzuholen Häuser stürmt.

Ausschnitt:

Der Anblick des Paares muss Nachbarn in Panik versetzt haben. So sehr, dass sie ihren Verdacht samt einer Liste angeblicher Auffälligkeiten gleich dem LKA meldeten.

Schon diese Liste hält Anwalt Andreas Hüttl für einen Skandal. Er weist zum Fenster seiner Kanzlei in Hannover, streicht sich ums Kinn: "Ich habe den ganzen Tag die Jalousien vorgezogen - und dann lasse ich mir auch noch einen Bart wachsen. Ganz schön verdächtig!" Was die Polizei über seine Mandanten zusammengetragen habe, sei lächerlich. "Vage Verdachtsmomente und bloße Vermutungen, aber das reicht doch nicht." Schließlich gehe es um ein wichtiges Grundrecht, um Artikel 13 - die Unverletzlichkeit der Wohnung. Dass die Polizei inzwischen erklärt, ihre Aktion sei keine Durchsuchung gewesen, ist für Hüttl eine "ganz große Frechheit". (Quelle: Taz.de)

Interessant auch die Reaktion der örtlichen Bevölkerung: Weil die Polizei aktiv wurde, müsse ja was dahinter stecken hinter den Verdächtigungen! Welche Logik!

Was waren die tatsächlichen Gründe für die Razzien gegen G8-Protestierer im Mai 2007?

Der Fall Monika Harms (Taz.de)

(Via Augsblog.de)

Hinsichtlich des nun als rechtswidrig vom BGH beurteilten Vorgehens der Bundesanwaltschaft gegen G8-Protestierer scheinen nur zwei Schlussfolgerungen möglich: Entweder die Bundesanwaltschaft wollte politischen Einfluss ausüben - in Richtung G8-Protestierer oder in Richtung der (Medien-)Öffentlichkeit - oder die Ermittler hatten überhaupt gar keine Ahnung, "wie diese Protestszene tatsächlich tickt", wie Felix Lee in einem Kommentar bei Taz.de schreibt:

Ausschnitt:

Den 20 Verdächtigten konnte nicht das kleinste Indiz vorgelegt werden, warum ausgerechnet sie an einem Farbeierwurf oder gar einem Brandanschlag beteiligt gewesen sein sollen. Beweise fehlen bis heute. [...] Haben die Ermittlungsbehörden die Razzien tatsächlich genutzt, nur um wenige Wochen vor Gipfelbeginn mit stasiähnlichen Methoden eine legitime Protestszene zu durchleuchten? Daraus lässt sich nur schließen, dass die Ermittler bis zum Schluss nicht die leiseste Ahnung hatten, wie diese Protestszene tatsächlich tickt. (Quelle: Taz.de)

"Sicherheit" à la Monika Harms

Hausdurchsuchung mit Monika Harms (Augsblog.de)

Sascha vom Augsblog beschreibt sehr anschaulich, wie das wohl ist, wenn Generalbundesanwältin Monika Harms mal eben zur Sicherheit Wohnungen rechtswidrig durchsuchen lässt.

Ausschnitt:

Es ist Viertel nach Sechs am frühen Morgen. Plötzlich klingelt es an der Tür. Du in deinem Schlaf glaubst an einen dummen Streich und ziehst dir die Decke über den Kopf. Doch plötzlich splittert Holz. Laut. Und Schreie hallen durch deine Wohnung. (Quelle: Augsblog.de)

Schäuble schreibt Ermittlungserfolge bei jugendlichen U-Bahn-Schlägern in München fälschlicherweise Vorratsdatenspeicherung zu

Schäuble sieht Gewaltkriminalität als Argument für Vorratsdatenspeicherung (Heise.de)

(Via Antiterror.Blog.de)

Ausschnitt:

Der CDU-Politiker meinte, dass die Festnahme der zwei Täter, die im Dezember einen Rentner überfallen haben, mittels Vorratsdaten erfolgt sei, weshalb deren Speicherung nötig sei. Allerdings wurden die Täter zu einem Zeitpunkt, an dem das Gesetz noch gar nicht in Kraft war, nicht mittels Vorratsdaten, sondern durch die Ortung eines gestohlenen Mobiltelefons ermittelt. Auch in dem zweiten spektakulären Fall wurden die Täter weder durch Vorratsdaten noch durch die ebenfalls ins Feld geführte Videoüberwachung gefasst, sondern durch Zeugenaussagen. (Quelle: Heise.de)

Aber wetten, dass die Mär von der Vorratsdatenspeicherung und der Videoüberwachung als angebliche Helfer beim Fassen der jugendlichen Gewalttäter jetzt nicht mehr tot zu kriegen sein wird?

Sonntag, 6. Januar 2008

Neoliberal, konservativ: Prof. Hamm über die merkwürdig zahmen Medien in Deutschland

"Gerade das vermeintlich Unpolitische ist in höchstem Grade politisch" (Telepolis.de)

Ein Interview mit Bernd Hamm, Professor für Siedlungs-, Umwelt- und Planungssoziologie an der Universität Trier über die Medienmacht in Deutschland und ihren äußerst starken politischen Einfluss.

Auf die Frage, warum die deutschen Medien so wenig kritisch sind gegenüber den bestehenden Verhältnissen, antwortet Hamm:

Es funktioniert aus drei Gründen nicht mehr:

Erstens ist der Konzentrationsprozess in den Medien rasch fortgeschritten, sowohl international als auch in Deutschland. Es sind nur noch wenige Konzerne, die die Medienlandschaft beherrschen.

Zweitens neigen die Eigentümer – von Springer über Bertelsmann, Bauer, Burda oder Holtzbrinck – alle einem politisch konservativen, wirtschaftsfreundlichen, sozial und ökologisch wenig sensiblen Weltbild zu. [...] Viel deutlicher wird das allerdings bei der Bertelsmann-Stiftung, die die Zwangsamerikanisierung unserer Hochschulen, den betriebswirtschaftlich – statt am Gemeinwohl – ausgerichteten Umbau der Kommunalverwaltungen mit grossem Erfolg mit betrieben hat. [...]

Das gilt aber auch für den wenig sichtbaren schwäbischen Riesen Holtzbrinck: Der hat inzwischen (neben zahlreichen Zeitungen) alle wichtigen Taschenbuchreihen (bis auf Suhrkamp) aufgekauft und sogleich kritische Reihen – wie Rororo-Aktuell oder Fischer alternativ – eingestellt.

Drittens hängen heute alle Medien entscheidend von den Werbeeinnahmen ab. Auf weite Strecken kann man sagen, dass die redaktionellen Teile dazu dienen, der Werbewirtschaft die entsprechend selektierten Publika anzuliefern. Das aber hat zur Folge, dass sich alle Medien heute durchgehend an den Einstellungen und Wünschen der kaufkräftigen Mittelschicht orientieren. (Quelle: Telepolis.de)

Soweit zu den Ursachen der politischen Eintönigkeit bei den meisten deutschen Medien.

Aber auch zu den Folgen hat Hamm etwas zu sagen:
Es ist doch auffällig, wie sehr sich das Spektrum der politischen Diskussion bei uns verändert hat: Wenn es in den späten sechziger Jahren "links" war, über die Enteignung von Springer, über die öffentliche Kontrolle der Grossbanken nachzudenken und die in der UNO diskutierte Neue Weltwirtschaftsordnung zu begrüssen, wird heute schon als "links" verschrien, wer die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für Ältere verlängern will. Wir sind uns gar nicht bewusst, in welchem Ausmass hier eine Gehirnwäsche stattgefunden hat, die Themen jenseits des neoliberalen Mantras einfach nicht mehr zulässt. (Quelle: Telepolis.de)

Hamm verweist nebenbei auf ein interessantes Lob von Springers "Welt" in Richtung Spiegel, nämlich in Form einer Mahnung der "Welt" an den "Spiegel", nach Austs Weggang nicht wieder vom "rechten Weg" abzukommen.

Hamm meint, dass die bürgerlichen Medien alle politisch eine eigene Agenda verfolgen:
Dazu gehört auch, dass die Medien systematisch verschweigen, was unsere Gesellschaften im Innersten umtreibt: die Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit, das, was Marxisten Klassenkampf nennen. Medien sind hier Partei, nämlich Teil des Kapitals und von ihm abhängig, und werden schon deshalb alles unternehmen, unsere Gesellschaft als wenigstens dem Prinzip nach sozial gerecht und demokratisch darzustellen, auch wenn das längst nicht mehr mit der Wirklichkeit übereinstimmt. (Quelle: Telepolis.de)

Hamm sieht vor allem im Internet die Möglichkeit, sich umfassender zu informieren und den Manipulationen der "etablierten" Medien etwas entgegen zu setzen. Allerdings stellt sich hier dem Konsumenten auch und vor allem im Internet die Frage, welchen Informationen er vertrauen kann. So schließt Hamm:
In jedem Fall kostet das Informieren über die Geschehnisse der Welt heute viel Zeit und viel Geld. Das können sich die meisten nicht leisten. [...] Informieren ist zu einem eigenen Beruf geworden, zu einem Privileg, das sich nur wenige leisten können. Wir leben, das ist nicht mehr zu übersehen, in einer manipulierten Gesellschaft. George Orwell hat sie 1948 vorhergesehen und beschrieben. Er hatte erschreckend recht. (Quelle: Telepolis.de)

Aus dieser Perspektive besehen wird mir auch deutlicher, warum es mich dazu drängt, meine Freizeit fast vollständig mit dem Suchen und Sammeln von Informationen im Internet zu verbringen und dieses Link-Sammel-Weblog hier zu betreiben.

Das Jugendstrafrecht ist vorbildlich, aber seine Ausführung wird kaputtgespart

Jugendstrafrecht: Helden und Maulhelden (Süddeutsche Zeitung)

Ein Kommentar von Heribert Prantl.

Ausschnitt:

Das deutsche Jugendstrafrecht gilt als vorbildlich, denn es ist klug und individuell anpassungsfähig. Wenn Politiker es kaputtmachen, grenzt das fast an eine Straftat. Das deutsche Jugendstrafrecht ist gut, ja: Es ist weltweit vorbildlich; aber seine Ausführung in der Praxis ist ein Desaster, vor allem deswegen, weil es kaputtgespart wird, auch und vor allem in Hessen. [...] Und Warnschuss-Arreste sind längst möglich. (Quelle: Süddeutsche.de)

Staatsanwaltschaft ermittelt in 30 Fällen rund um mögliche Verfehlungen von Verfassungsschutz, Polizei und Justiz in Sachsen

Ermittlungen wegen Verfassungsschutzaffäre (Netzeitung.de)

Ausschnitt:

In der Affäre um Geheimdienstakten in Sachsen ermittelt die Dresdner Staatsanwaltschaft in insgesamt 30 Fällen. [...] Betroffen von den Ermittlungen seien demnach sowohl Bedienstete des Landesamtes für Verfassungsschutz, ein Mitarbeiter im Polizeibereich sowie Justizangehörige. (Quelle: Netzeitung.de)

Es ist merkwürdig still geworden in den Medien rund um diese "Sachsen-Affäre". Nun wird offenbar, wie umfangreich nun doch die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Über den Prozess zum Tod von Oury Jalloh in Dessau

Sein letztes Wort war "Feuer" (Frankfurter Rundschau)

Ausführlicher Bericht über die Gerichtsverhandlung gegen Dessauer Polizisten bezüglich des Todes des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle.

Ausschnitt:

Richter Steinhoff mag es nicht, wenn er angelogen wird. Schon gar nicht von Polizisten. Deswegen will er nun so lange verhandeln, "bis einer umfällt". [...]

Offensichtlich ist für den Anwalt einstweilen nur, dass im Polizeirevier von Dessau bis zum 7. Januar 2005 und weit darüber hinaus ein merkwürdiger Corpsgeist geherrscht haben muss. "Die Dreistigkeit, mit der hier gelogen wird, ist ungeheuerlich", sagt von Klinggräff. (Quelle: FR-Online.de)

Neu war mir auch, dass Aslybewerber in Deutschland keine Chance haben, gegen eine Adoption ihrer Kinder vorzugehen:
Er [Oury Jalloh] ist aufgebracht zu diesem Zeitpunkt, seine Ex-Freundin will den gemeinsamen Sohn zur Adoption freigeben, er hat als Asylbewerber keine Chance, das zu verhindern. (Quelle: FR-Online.de)

Leutheusser-Schnarrenberger: Es gibt kein Grundrecht auf Sicherheit!

Auf dem Weg in den autoritären Staat (Blätter für deutsche und internationale Politik)

(Via Kommentar von Don Pepone, via Mein Parteibuch Blog)

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger analysiert, ob sich aus dem Grundgesetz oder aus anderen ähnlichen Gesetzeswerken oder Erklärungen ein "Grundrecht auf Sicherheit" ableiten lässt und was dies bedeuten würde.

Ausschnitt:

Ohne nennenswerte Wirkung zu entfalten, hatte damals vor allen der als Kronjurist der konservativen Rechtspolitik geltende Bonner Staatsrechtler Josef Isensee behauptet, im Grundgesetz der Bundesrepublik sei, wenngleich nicht ausdrücklich, so jedoch implizit ein Grundrecht auf Sicherheit verankert. Darauf anspielend erklärte Otto Schily 1998, an die Gegner des Großen Lauschangriffs gewandt: "Wer meint, dass das Grundrecht auf Sicherheit eine Erfindung konservativer Professoren ist, der irrt und beweist damit nur seine Unkenntnis der deutschen Verfassungs- und Rechtsgeschichte. Schon in der Virginia Bill of Rights ist das Grundrecht auf Sicherheit enthalten gewesen. Es setzt sich über die verschiedenen Verfassungsdokumente bis zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) fort, in der in Artikel 5 das Grundrecht auf Freiheit und Sicherheit verankert ist." [...]

Die in der Verfassung positivrechtlich spezifizierten Freiheitsgrundrechte würden einem entindividualisierten, kategorial also völlig anderen, positivrechtlich nicht fassbaren, insofern notwendig abstrakten und deswegen in Abwägungen immer überlegenen Grundrecht auf Sicherheit untergeordnet werden. Die Freiheit würde der vermeintlichen Sicherheit zum Opfer fallen. [...]

Das zentrale für die Existenz eines solchen Grundrechts auf Sicherheit vorgebrachte Argument ist jedoch unzutreffend. [...] weil die Sicherheit, die Art. 5 EMRK neben das Grundrecht auf Freiheit stellt, unter allen Auslegungsgesichtspunkten und nach ständiger Rechtssprechung des europäischen Menschenrechtsgerichtshofs sowie der einschlägigen Kommentarliteratur nicht Sicherheit durch, sondern Sicherheit vor dem Staat bedeutet. (Quelle: Blaetter.de)

Es folgt noch eine interessante Auflistung der "verfassungspolitischen Desaster", in die die Bundes- und einige Länderregierungen in letzter Zeit immer wieder gerieten, weil die Regierungen den Charakter des Grundgesetzes als Gesetz zum Schutz des Bürgers vor dem Staat missachteten.

Anschließend analysiert der Artikel eingehender die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bezüglich des Großen Lauschangriffs und Leutheusser-Schnarrenberger stellt dar, dass sich Regierung und Parlament in ihrem berichtigten Gesetzentwurf zum Großen Lauschangriff nicht an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gehalten haben:
Bemerkenswert ist nun, dass bereits der in die parlamentarische Beratung eingebrachte und schließlich auch vom Deutschen Bundestag mehrheitlich verabschiedete Gesetzentwurf den § 100c Abs. 4 kaum merklich anders fasst, ohne dass dies die zustimmende Bundestagsmehrheit gestört hätte. Anstelle des strikt bedingenden "wenn kernbereichsrelevante Informationen erfasst werden" steht nun im Gesetz das relativierende "soweit kernbereichsrelevante Informationen erfasst werden", womit erkennbar der rechtliche Spielraum für eine Umgehung des verfassungsgerichtlichen Überwachungsverbots geschaffen wurde. Abweichend von den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts scheint also nun der Lauschangriff auch dann zulässig sein, wenn typisierende Umstände unwiderlegbar darauf schließen lassen, dass in den überwachten Räumen kernbereichsrelevante Gespräche geführt werden. (Quelle: Blaetter.de)

Bei der Regelung der Telekommunikationsüberwachung geht die Bundesregierung sogar noch weiter. Hier sollen Überwachungen nur abgebrochen werden, "wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme [vorliegen], dass durch die Überwachungsmaßnahmen allein Kommunikationsinhalte oder Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden." Die Betonung liegt auf "allein"!

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger folgert dementsprechend:
Dies ist eine Formulierung, die in ihrer rabulistischen Qualität kaum noch zu überbieten ist. Denn weil eine Prognose darüber, dass in einer interpersonalen Kommunikationssituation alleine, das heißt ausschließlich kernbereichsrelevante, Gespräche geführt werden, lebensfremd und schlicht unmöglich ist, wird die sich als eingriffsbeschränkend gerierende Formel in Wirklichkeit dazu führen, dass ausnahmslos alle Gespräche einer polizeilichen Überwachung offen stehen. (Quelle: Blaetter.de)

Denn: Weil niemand mit Sicherheit prognostizieren kann, dass ein Verdächtiger bei einem Gespräch mit beispielsweise Familienangehörigen doch auch über Dinge sprechen könnte, die mit der ihm zur Last gelegten Tat zu tun haben, meint die Bundesregierung und die SPD- und Unionsfraktionen im Parlament, dass die Polizei im Zweifelsfall halt immer abhören muss. Aus dem Verbot des Bundesverfassungsgerichts, dass Überwachungen dort zu unterbleiben haben, wo der Kernbereich der Privatsphäre betroffen ist, wird so eine Vorgabe, die nach den Äußerungen von Regierung und SPD/Union kaum mehr beachtet werden muss.

Weiterhin wird die Bundesregierung dann argumentieren, dass die automatische Aufzeichnung aller Gespräche ("Richterband") das grundgesetzschonendere Vorgehen sei (im Vergleich zur von der Bundesregierung herbeifantasierten Möglichkeit, Gespräche eigentlich immer "live" mitverfolgen zu dürfen).

Dies, so Leutheusser-Schnarrenberger, sei pure "Rabulistik".

Zum Schluss geht Leutheusser-Schnarrenberger noch auf die "Gedankenexperimente" von Schäuble ein, das bei der Gefahrenabwehr der Grundsatz der Unschuldsvermutung nicht mehr gelten könne.
Es wirft ein grelles Licht auf den fundamentalen Wandel im Staatsdenken, der sich in den letzten Jahren schleichend vollzogen hat und nun mit Vehemenz die Politik bestimmt, dass es ausgerechnet das Bundesinnenministerium war, das in einer 1989 herausgegebenen Broschüre ausdrücklich auf die dem Hobbesschen Staatsdenken eigene Gefahr der "Rechtfertigung autoritärer Systeme" hinwies, in denen "die Bedeutung des Volkes auf den Status von Befehlsempfängern degradiert wird." (Quelle: Blaetter.de)

Wolfgang Schäuble jedoch bezieht sich neuerdings ausdrücklich auf Thomas Hobbes als Kronzeugen des angeblich "modernen Staatsdenkens".