Samstag, 11. Oktober 2008

Heutiger wöchentlicher Telekom-Datenskandal: Alle Bankverbindungsdaten aller T-Mobile-Kunden waren weltweit leicht einsehbar und änderbar

Millionen Kontodaten von T-Mobile-Kunden waren manipulierbar (Spiegel.de)

Ne, was für eine Überraschung! Nun stellt sich heraus, dass nicht nur die Telefonnummern, Adressdaten und E-Mail-Adressen von T-Mobile-Kunden überall kursierten, nein auch die Bankverbindungsdaten konnten einfach durch Unbefugte eingesehen und sogar geändert werden. Alle Daten aller 30 Millionen Kunden waren anscheinend mit dem gleichen kleinen Passwort geschützt, das beispielsweise alle Telekom-Kundenbetreuer kannten und so natürlich längst in Hacker-Kreisen zirkulierte. Ohne weitere Sicherheits-Abfragen konnte jeder, der dieses Passwort kannte, weltweit zugreifen auf alle Kundendaten und neue Überweisungsaufträge bei fremden Kundenkonten installieren oder gar SIM-Karten sperren.

Das ist schon keine Fahrlässigkeit mehr von Seiten der Telekom. Da muss man eher annehmen, dass der ganze Konzern längst von Hackern übernommen wurde und Obermann und Co. ebenfalls zu diesen Hacker-Kreisen gehören. Anders kann ich mir eine derartige Ignoranz gegenüber selbst den absolut simpelsten Datenschutzverfahren nicht erklären.

Freitag, 10. Oktober 2008

Neue These von Konservativen und Neoliberalen: Sozialpolitik des Staates sei Schuld an Finanzkrise

Misunderstanding Credit and Housing Crises: Blaming the CRA, GSEs (The Big Picture)

Der angesehene Finanzexperte Barry L. Ritholtz widerspricht in seinem Weblog "The Big Picture" vehement der nun auch in deutschen Medien, beispielsweise durch Josef Joffe bei ZEIT.de, vertretenen These, dass letztlich der Staat durch seine Sozialpolitik Schuld an der jetzigen Finanzkrise sei. Nach dieser These hätten ein Programm von Jimmy Carter namens "Community Reinvestment Act" (CRA) und eine angeblich von der Politik den Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac befohlene leichtere Gewährung von Hypotheken für ärmere Leute, das lockere Verhalten der Investmentbanken, Hedge-Fonds und Banken in den USA verursacht.

The Big Picture meint dazu jedoch:

Making the rounds amongst a certain subset of wingnuts on CNBC, at IBD and other selfconfoozled folks has been the meme that the entire housing and credit crisis traces to the the Community Reinvestment Act (CRA) of 1977. An alternative zombie myth is the credit crisis is due to Fannie Mae and Freddie Mac. A 1999 article from the New York Times about the GSE's role in subprime mortgages has been circulating as if its the rosetta stone of the credit crisis.

These memes have become a rallying cry -- cognitive dissonance writ large -- of those folks who have been pushing for greater and greater deregulation, and are now attempting to disown the results of their handiwork. (Quelle: Bigpicture.Typepad.com)

Anschließend listet Barry L. Ritholtz die Ungereimtheiten auf, die diese These von der Schuld des CRA oder der GSE an der Finanzkrise in Frage stellen.

Donnerstag, 9. Oktober 2008

Angesichts von Finanzkrise und inkompetenten Wirtschaftsexperten erscheint Orakel von Delphi als seriöse Institution

Angies Eyes (Süddeutsche.de)

Ausschnitt:

Die Ratingagenturen spielten Kreditrisiken jahrelang herunter und prognostizierten mit einer ans Kriminelle grenzenden Chuzpe, gegen die das Orakel von Delphi seriös und verlässlich genannt werden muss.

Die Risikoprofis in den Staatsbehörden für Finanzaufsicht, in Deutschland sind das allein rund 1600 Menschen, haben sich als inkompetent erwiesen. Und dass die zu Unrecht so genannten Wirtschaftsweisen, die alle paar Monate eitel in der Tagesschau Wachstumsveränderungen im Zehntelprozentbereich wortreich begründen, laut und deutlich vor der drohenden Katastrophe gewarnt hätten, kann man ihnen leider auch nicht nachsagen. (Quelle: Sueddeutsche.de)

Stellvertr. Generalbundesanwalt: Deutsche Polizei und Geheimdienste nutzen "im Regelfall" fragwürdiges Wissen ausländischer Behörden

Verwendung von Folteraussagen: Eine Frage der Verhältnismäßigkeit (Süddeutsche.de)

Ausschnitt:

Unter Folter erzwungene Aussagen ausländischer Häftlinge sollten nach Ansicht des stellvertretenden Generalbundesanwalts Rainer Griesbaum in Einzelfällen für weitere Ermittlungen benutzt werden können. [...]

Griesbaum begründete seinen Ansatz mit dem globalen Charakter der Terrorbekämpfung. "Der Rückgriff auf durch ausländische Strafverfolgungsorgane erzielte Beweisergebnisse und - noch weit häufiger - auf durch ausländische Nachrichtendienste zur Verfügung gestellte Informationen bildet inzwischen den Regelfall", sagte er in seinem Referat in der Abteilung Strafrecht der Tagung. (Quelle: Sueddeutsche.de)

Und ich frage mich, ob nicht längst ausländische Geheimdienste sogar quasi "im Auftrag" deutscher Behörden im deutschen Inland agieren, um so an deutschen Vorschriften und an den für deutsche Behörden geltenden Zwängen, beispielsweise den Parlamenten Bericht über ihre Überwachungstätigkeit zu erstatten, vorbei, Erkenntnisse über Bürger gewinnen.

Schäubles geplante Abhörzentrale: Wozu soll sie gut sein?

Kritik an geplanter Abhörzentrale (Süddeutsche.de)

Ausschnitt:

Viel zu hohe Kosten und teilweise manipulierte Kalkulationen: Der Bundesrechnungshof hat offenbar massive Bedenken gegen die von Innenminister Schäuble geplante Abhörzentrale. [...]

Laut dem Magazin Focus hält der Rechnungshof die Kosten für viel zu hoch. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums nannte die Bündelung dagegen notwendig und erklärte, die Berechnungen des Bundesrechnungshofes seien nicht richtig. [...]

Laut Spiegel monierten die Rechnungsprüfer in ihrem Bericht vom 18. September, das BVA habe "im Auftrage des Bundesinnenministeriums" bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung die Parameter "so lange geändert, bis sich das gewünschte Ergebnis zugunsten des Bündelungsmodells errechnen ließ". (Quelle: Sueddeutsche.de)

Ursprünglich war das Hauptargument Schäubles für eine derartige Abhörzentrale, dass man so Kosten sparen könne, was mich schon zu dem Kommentar verleitete, dass in Deutschland ja anscheinend mächtig viel überwacht wird, wenn jetzt sogar die Kosten dieser Überwachungsmaßnahmen ein derartiges Problem darstellen, dass man dazu die gesamte Organisation und Arbeitsweise der Behörden verändern muss. Jeder, der sich mit Organisationen etwas auskennt, weiß, welch ein Aufwand es ist, Struktur und Arbeitsweise von Organisationen, erst recht von Behörden, zu verändern.

Dass Schäubles Ministerium nicht rechnen kann, wurde schon bei der Diskussion rund um die angeblichen Einsparungen eines zentralen Melderegisters deutlich: Regierung lügt bezüglich Einsparpotenzial durch zentrales Melderegister.

Bleibt also die Frage: Wenn die Abhörzentrale keine Kosten spart, wozu will Schäuble sie?

Deutsche Polizei- und Geheimdienstbehörden außer Kontrolle

Behörden außer Kontrolle (SWR: Report Mainz)

Ausschnitt:

Was passiert in Schäubles Vorzeigeprojekt GASIM? [...]

Das Prinzip: Vertreter von Behörden wie Bundespolizei, BKA, Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst tauschen Informationen aus. Welche genau: unbekannt. Konkrete Erfolge: unklar. Der Name: GASIM. [...]

"Das Thema Datenschutz wird im GASIM gar nicht ernst genommen, es werden dort sowohl Daten erhoben als auch gespeichert als auch abgeglichen und auch weitergegeben. Zum Teil werden die Informationen des Bundesnachrichtendienstes einfach auf den Schreibtischen der Polizei abgelegt. Der Polizist recherchiert dann in den eigenen Datensystemen zu diesen Personen." [...]

Auf vage Verdächtigungen hin werden auch Deutsche, etwa Ehefrauen von Ausländern, von allen beteiligten Behörden durchleuchtet. Die Betroffenen erfahren davon nichts. (Quelle: SWR.de)

Intensive Überwachung unbescholtener Bürger in Deutschland

Einige Links, die deutlich machen, dass BKA und Verfassungsschutz in Deutschland Amok laufen dank Paragraph 129a:

Wir sind alle Terroristen! (Chaosradio)

"Ein bitterer Nachgeschmack bleibt" (TAZ.de)

G8-Gegner fühlen sich gestalkt (TAZ.de)

Staatsschutz lauscht "Wind of Change" (TAZ.de)

Sieben Jahre ohne Privatleben (TAZ.de)

G-8-Demonstranten vom Terror-Verdacht befreit (Tagesspiegel.de)

Aus obigen Artikeln muss man als Fazit ziehen und herausstellen: Gerade wenn jemand nach einem Anfangsverdacht unverdächtig erscheint, macht ihn dies aus Sicht von BKA und Verfassungsschutz besonders verdächtig. Der Verfassungsschutz ermittelt und beobachtet außerdem vermutlich weiter, auch wenn Gerichte entschieden haben, dass an den Vorwürfen gegen die Verdächtigen nichts, aber auch rein gar nichts dran ist. Die Menschen, über die in den oben verlinkten Artikeln berichtet wird, wurden auf ihre Überwachung aufmerksam, weil die Behörden zunächst auch offene Wohnungsdurchsuchungen durchführten. Es gibt vermutlich viele Menschen in Deutschland (Hunderte, Tausende, mehrere Tausend?), die überwacht wurden oder werden, die davon bis heute nicht einmal etwas ahnen. Eine adäquate Kontrolle der Politik über den Verfassungsschutz findet anscheinend nicht statt - ob politisch gewollt oder schlicht aus Ignoranz der Politik.