Freitag, 26. September 2008

Die ARD-Tagesschau versteht nicht, was in den USA los ist

USA: Krisentreffen zu Finanzkrise ohne Ergebnis (Tagesschau.de)

Die Auslandsberichterstattung ist bekanntlich keine große Stärke der ARD-Tagesschau mehr. Dies wird auch einmal mehr an diesem verlinkten Artikel deutlich. Die sachlichen Fehler im Artikel: Das Treffen von Obama und McCain beim US-Präsidenten sollte nicht etwa der Verhandlung über einen Notfallplan für das angeschlagene Finanzsystem dienen, also der Suche nach Kompromissen. Sondern das Treffen sollte vor allem der Verkündung eines zuvor gefundenen und beschlossenen Kompromisses dienen und die Einladung an Obama und McCain sollte dem Volk signalisieren, dass der Kompromiss auf breiten Schultern steht (siehe z.B. CNN.com). Man versuchte wohl auch an diesem Ziel festzuhalten, bis dann doch die bereits vor dem Treffen bei Bush laut gewordenen Kritiken von Seiten mancher Senatoren und Abgeordneten zu laut wurden. Insofern hat hier nicht Bushs Einfluss versagt und ihn als "lahme Ente" entlarvt, so wie dies der Tagesschau-Artikel darzustellen versucht. Bush hatte von Anfang an bei der Krise nicht viel zu sagen. Und das nicht etwa, weil er eine "lahme Ente" ist (was er zweifellos ist), sondern weil die Senatoren und Abgeordneten des Repräsentantenhaus bei Haushaltsfragen schlicht und einfach das Sagen haben und nicht der Präsident und seine Regierung.

Es werden in den USA auch derzeit nicht etwa Kompromisse zwischen den beiden Parteien gesucht, so wie dies Tagesschau.de darstellt. Hier verhandeln keine Fraktionsvorsitzenden miteinander, die dann das Ergebnis ihren Fraktionsmitgliedern mitteilen, damit diese wissen, wie sie abzustimmen haben. In den USA gibt es keinen Streit zwischen den Parteien in diesen Fragen, sondern es gibt einen Streit der Argumente, der zwischen den Senatoren und Abgeordneten unterschiedlicher Parteien quasi individuell untereinander ausgetragen wird. Klare Lager sind nicht zu erkennen. Eine sehr ungewöhnliche Situation für jemanden, der nur das deutsche Parteien-Hickhack kennt und dies unter "Politik" versteht. Die Parteien namens "Republikaner" und "Demokraten" spielen bei diesen Auseinandersetzungen als Parteien fast keine Rolle.

Vermutlich versteht das Tagesschau-Team nicht so richtig, wie in den USA Politik gemacht wird. Mit dem deutschen Parteiensystem hat das Ganze jedenfalls ziemlich wenig zu tun, weshalb es auch ziemlich unsinnig ist, bei diesem Streit von Anhängern der "Oppositionspartei" und "Regierungspartei" zu sprechen und die Rolle von "Fraktionsvorsitzenden" hervorzuheben, die es so in den USA gar nicht gibt.

Aber gut, wer sich bei der Tagesschau informiert, ist selbst schuld.

Mittwoch, 24. September 2008

Abstimmung über Gesetzespaket im EU-Parlament: Angriff auf das freie Internet

Internet-Regulierung - EU-Parlament stimmt über Web-Kontrolle ab (Spiegel.de)

Wie erstaunlich! Neben Tagesschau.de berichtet tatsächlich noch ein deutsches Medium etwas ausführlicher (also in mehr als drei Sätzen) über die bevorstehende Abstimmung es EU-Parlaments über ein EU-Gesetz! Ich fasse es nicht. Dass mir das aber nicht noch einmal vorkommt! Es ist einfach zu verwirrend für den deutschen Medienkonsumenten plötzlich über Gesetzesvorhaben auf EU-Ebene informiert zu werden. Aber gut, alles nicht so schlimm. Denn bewirken wird die Berichterstattung eh nichts mehr, weil die Abstimmung über das Gesetz bereits in wenigen Stunden stattfindet. Gut gemacht. Eine frühere Berichterstattung in den etablierten Medien hätte ja sonst noch dazu geführt, dass die Bürger Einfluss genommen hätten auf die Meinungsbildung im EU-Parlament. Und das wiederum hätte nur die EU-Parlamentarier verwirrt.

Es geht um ein riesiges Gesetzespaket, in dem gut versteckt die EU das unbeobachtete Surfen im Internet abschaffen will. China lässt grüßen.

Ausschnitt:

Dass nun ein Vorschlag im Raum steht, IP-Adressen als nicht personenbezogen zu definieren, zeugt Hansen zufolge "allenfalls von der Anfälligkeit des EU-Prozesse für Lobbyarbeit etwa aus der Werbebranche", mit der Realität habe das "nichts zu tun". (Quelle: Spiegel.de)

Weiter sollen Provider in die Pflicht genommen werden, Internet-Inhalte auf ihre "Rechtmäßigkeit" zu prüfen. Die Trennung zwischen der gesetzlichen Regulierung der Internet-Infrastruktur und der Zulässigkeit von Inhalten wird im Gesetz miteinander vermischt. Außerdem enthält das Gesetzespaket weitere Vorgaben über die ausführliche Speicherung und Protokollierung des Surfverhaltens der Bevölkerung.

Kölner Polizei pfeift auf den Rechtsstaat

(Via Fefes Blog) Einkesselung bei Anti-Rechtsdemo - Schwere Vorwürfe gegen Kölner Polizei (Spiegel.de)

Die Kölner Polizei hat mal wieder Demonstranten rechtswidrig ohne richterlichen Beschluss viel länger als erlaubt festgehalten. Darunter Kinder und Jugendliche. Die zuständige Richterin äußerte öffentlich ihre Hilflosigkeit angesichts des Vorgehens der Polizei. Rechtsanwälte wurden von der Polizei ebenfalls am Zugang zu den ihrer Freiheit Beraubten gehindert.

Wirklich ernsthafte Konsequenzen hatten ähnliche Vorgänge in der Vergangenheit für die Polizisten nicht.

Lautet die Lösung also, dass Demonstranten in Zukunft schlicht und einfach besser bewaffnet sein müssen als die Polizei, um ihre Rechte in die eigene Hand zu nehmen und durchzusetzen?

Gericht: Telkos könnten Vorratsdatenspeicherung vorerst wohl verweigern, wenn sie wollten

Gericht: TK-Anbieter muss Vorratsdatenspeicherung voraussichtlich nicht umsetzen (Heise.de)

Ausschnitt:

Das Verwaltungsgericht Berlin sieht die Verpflichtung zur verdachtsunabhängigen Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten ohne Entschädigung angesichts der hohen Investitionskosten für die Überwachungsmaßnahme kritisch. [...] Die Beschwerde des IEN-Mitglieds dürften die Richter seiner Ansicht nach dem Bundesverfassungsgericht vorlegen und die Klägerin bis auf Weiteres von der Umsetzungpflicht befreien. [...]

Der Jurist rät allen Telcos, die sich im Unklaren über die Umsetzungspflichten zur Aufzeichnung der Verbindungs- und Standortdaten seien, ihrerseits zum Zug vors Verwaltungsgericht. Es sei angesichts des offensichtlichen "Sonderopfers" für die Wirtschaft davon auszugehen, dass ihre Beschwerden ähnlich eingeschätzt werden könnten und die Vorratsdatenspeicherung eventuell vorerst ausgesetzt werden dürfe. (Quelle:Heise.de)

Dienstag, 23. September 2008

Telekom überwachte auch DGB-Chef

DGB-Chef Opfer der Telekom-Spitzelaffäre (FTD.de)

Ausschnitt:

Der Skandal nimmt kein Ende. Michael Sommer sagte der FTD, Telekom-Chef Obermann habe ihn informiert, dass seine Telefonverbindungsdaten durchleuchtet worden seien. Entschuldigt habe sich Obermann nicht. (Quelle: FTD.de)

Ach, die Leute wollen doch überwacht werden. Jeder, der noch Kunde bei der Telekom ist, will doch im Grunde seines Herzens überwacht werden. Oder warum ist er sonst noch Kunde dieses ekelhaften Konzerns??

Sommer hat erkannt, dass Datenschutz kein überbewerteter Luxus ist, über den sich nur Leute Sorgen machen, die keine anderen Sorgen haben, sondern dass Datenschutz ein Grundpfeiler der Freiheit ist. So zitiert ihn FTD:
"Dadurch, dass meine Verbindungsdaten gespeichert wurden, kann auch festgestellt werden, ob und wann ich mit dem Bundeskanzler oder der Bundeskanzlerin, dem Vorsitzenden X oder dem Präsidenten Y telefoniert habe. Das ist ein Skandal, der nicht nur mich betrifft, sondern alle meine Gesprächspartner."

Die Spitzeleien seien eine schwere Belastung für die Mitbestimmung und die Sozialpartnerschaft. (Quelle: FTD.de)

USA: Milliardenpaket für Autobauer in Planung

USA planen Milliardenpaket für US-Autobauer (Tagesschau.de)

Auch Leerverkäufe von Ford- und GM-Aktien wurden verboten.

Es geht also gar nicht mehr nur um die Rettung des Finanzsystems. Staatliche Interventionen im eigenen Land sind immer willkommen, nur im Ausland sieht man sie gar nicht gern.

Ein William-Shatner-Album für 5 Millionen Dollar

(Via The Big Picture) BuyMyShitPile.com

Ich weiß gar nicht, warum manche den Plan des US-Finanziministers, den Banken ihren Schrott mit Steuergeldern abzukaufen, als Schritt in Richtung Kommunismus kritisieren. Der Kauf und Verkauf von möglichst viel Schrott ist doch die Essenz des Kapitalismus, oder? Kommunismus hingegen ist es, sich auch noch stundenlang für diesen Schrott in einer Schlange stehend anstellen zu müssen.

BuyMyShitPile.com will den Kapitalismus retten helfen und fordert deshalb vom US-Finanzminister, dass er auch den ganzen Schrott aufkaufen soll, den jeder US-Bürger irgendwo rumliegen hat und im Laufe seines kapitalistischen Lebens irgendwann mal gekauft hat. Jeder kann deshalb auf der Website seinen Schrott schon einmal online (kein Schlangestehen!) auflisten und mit einem adäquaten Preis versehen.

Sonntag, 21. September 2008

Der ungebremste freie Markt hat als politisches Vorbild abgedankt

Finanzkrise: Alle Kassen im Schrank (FAZ.net)

Der FAZ-Artikel fasst einmal kurz zusammen, was die Finanzkrise für die Politik bedeuten könnte.

Ausschnitt:

Wäre schnelles Autofahren eine an Börsen handelbare Größe, dann hätte dieses System Tempolimits, Ampeln, den Führerschein und alle Bremsen abgeschafft. Bis Porsche und Daimler dem TÜV gehören. [...]

Dieser Absturz des Systems wird allen Ernstes als Panne verkauft [...].

[...] für die gegenwärtige Situation einer Krise auf digitalisierten und globalisierten Finanzmärkten gibt es keine historischen Vorbilder. Die Krise ist keine Krise der Immobilienwirtschaft oder des Geldmarkts, sie ist im Kern eine Wissenskrise [...].

Und noch eine Kleinigkeit: Ohne eine Panik auslösen zu wollen, aber die Vereinigten Staaten haben das Geld nicht. Nicht die eben versprochene Summe von einer Million mal eine Million Dollar und nicht das Geld, das sie brauchten, um noch verborgene Defizite aufzufangen. [...]

Es ist nun völlig egal geworden, wer ins Weiße Haus einzieht [...]. (Quelle: FAZ.net)

Der Artikel zieht eine interessante Schlussfolgerung aus dem Desaster: Dass nun der Bürger wieder mehr Mitspracherecht bekäme, weil Parlamentarier über die Rettungs-Gelder entscheiden würden (ein fragwürdiges Argument, finde ich), aber auch, weil das Gerede von der Privatisierung gesunder öffentlicher Unternehmen (Deutsche Bahn z.B.) nun noch mehr als bisher schon vom Bürger in Frage gestellt würde. Aber das kümmerte unsere Politiker bisher ja auch nicht. Ca. 80% der Bevölkerung waren bislang schon gegen die Privatisierung der Bahn und trotzdem wurde die Privatisierung vorangetrieben. Warum auch nicht? Die Bürger wählen die dafür verantwortlichen Parteien ja trotzdem weiter. Vermutlich weil der Drogenkonsum in der Bevölkerung doch schon ungeahnte Ausmaße angenommen hat.