Samstag, 8. August 2009

Süddeutsche.de-Artikel gegen all die Mythen rund um die angebliche Notwendigkeit von Internetsperren gegen Kinderpornografie

Kinderpornografie: Simple Lösungen für ein komplexes Problem (Süddeutsche Zeitung)

Die Artikel-Überschrift ist leicht irreführend. Es geht um die Internetsperren gegen Kinderpornografie. Und die sind ja nun gerade keine Lösung, auch keine simple. Schon gar keine Lösung gegen Kinderpornografie.

Der Artikel erläutert, dass es zudem gar keinen Massenmarkt mit kinderpornografischen Abbildungen im Internet gibt. Dies sind die Beobachtungen von Rechtsanwalt Udo Vetter.

Und der Artikel problematisiert die Art und Weise, wie die Internetsperren in einem Hoppla-Hopp-Verfahren politisch durchgesetzt und zum Gesetz wurden.

Außerdem erläutert der Artikel, warum das Internet überhaupt kein rechtsfreier Raum ist.

Irritierende Frage im "Medienzeitalter": Wie erreicht man, dass die Leute wieder über Politik informiert sind?

Schlacht um die Offliner (Malte-Welding.com)

Malte stellt die entscheidende Frage:

Momentan werden die Bürger von dem Thema nicht recht erreicht. Gestern erst meinte eine Bekannte, die mitbekommen hat, dass ich gerade was zu dem Thema schreibe: “Ja, ich hab da auch mal gelesen, dass das jetzt ganz gefährlich sei, weil die sich jetzt so aufregen, dass sie nicht mehr auf die Seiten kommen.” Wir reden hier von einer netten, intelligenten jungen Frau, die von Netzsperren nur sehr am Rande mal etwas gehört hat. Wie kommt man an die Leute ran, die keinen Facebookaccount haben, nicht twittern und schon gar nicht bloggen? (Quelle: Malte-Welding.com)

Früher hätte man geantwortet: Sag den Offlinern, sie sollen mal ein bisschen aufmerksamer die Nachrichten verfolgen, damit sie mitbekommen, was um sie herum geschieht.

Dieser Tipp funktioniert heute bekanntlich nicht mehr. Und das nicht, weil die Offliner überhaupt gar keine Nachrichten verfolgen, sondern weil sie in den Offline-Nachrichten meistens nichts Relevantes finden. Die Hauptbotschaft der Tagesschau ist es ja, zu melden, dass die Welt (immer) noch nicht untergegangen ist, dass Politiker XY um sein Ansehen kämpft, dass es Diskussionen gibt um Steuererhöhungen/Krankenkassenbeitragssatzerhöhungen/sonstige steigende oder fallende Preise/Sozialausgabensenkungen oder -erhöhungen. Und natürlich Sport und Wetter und Lottozahlen. Politikerpersönlichkeiten, Geld (aber nur, wenn es bei diesem Thema um einige wenige Euro mehr oder weniger im Monat geht), Sport, Wetter, Lotto. Diese Themen gelten in den Normalo-Medien als relevant. Aber sind das tatsächlich die relevanten Themen? Viele Rezipienten nehmen das einfach hin. Sie kommen nicht auf den Gedanken, nicht nur den Inhalt einzelner Nachrichten zu hinterfragen, sondern die gesamte Themenauswahl und Themenschwerpunktsetzung.

Vielleicht wäre es also eine mögliche Lösung, den Leuten die thematische Beschränktheit der Mainstream-Offline-Medien unter die Nase zu reiben und was diese Beschränktheit mit ihnen, ihrer Gesellschaft, ihrer Umwelt und ihrem Weltbild macht.

Gefragt wären also Strategien, die Beschränktheit der Mainstream-Medien plastisch vor Augen zu führen, damit "die Leute" stärker und häufiger anfangen, den Medienzirkus von sich aus zu hinterfragen und von sich aus nach anderen Informationen zu suchen.

Kognitive Dissonanz erzeugen - und zwar schnell und nachhaltig - wäre also vermutlich eine dieser möglichen Strategien. Aber das ist nicht einfach. Fetzig geschriebene Weblogs, auf die man dann beispielsweise konkret verweisen kann, könnten ein kleines Puzzleteil solch einer Strategie sein.

Das ZDF zeigt Politiker zum Wohlfühlen - Aaaaahhhhh, ist das alles schöööön. Ist ja auch Urlaubszeit.

Kolumne: Liebe Meinungsmacher! (Frankfurter Rundschau)

Mely Kiyak, Kolumnistin der Frankfurter Rundschau, wundert sich über die Spitzenkandidaten-Lobhudeleien im ZDF.

Zitat:

Diese Woche sah ich im ZDF einen Filmbeitrag über den Kanzlerkandidaten. In der Programmzeitschrift stand: Porträt. Ich sah aber eine Werbesendung. [...]

Warum werden Spitzenkandidaten oder Parteivorsitzende der anderen drei Parteien nicht in einer Einzelsendung gezeigt? (Quelle: FR-Online.de)

Wie jetzt? Eine Sendung, in der alle Spitzenkandidaten miteinander kritisch verglichen werden, beispielsweise? Hahaha, der Witz war gut. Wir sind hier nicht in Großbritannien und wir haben deshalb hier auch keine BBC, sondern ARD und ZDF. Der Deutsche mag keine freche Rumfragerei, sondern liebt die aalglatten Journalisten-Darsteller bei ARD und ZDF. Das war schon immer so. Und da werden ARD, ZDF und die Politiker auch drauf achten, dass das so bleibt.

Deutsche Innenpolitik ist geprägt von einer Kultur der Unsicherheit und Angst

Staatliche Überwachung: Sicherheit total (Zeit.de)

"Wenn wir Angst haben, raschelt es überall." (Sophokles)

Ein sehr guter Artikel, der ebenfalls aufzuzeigen versucht, dass die Sicherheitspolitik bestimmt ist von Übertreibungen, falschen Rezepten, Unverhältnismäßigkeit und in Folge dessen Nebeneffekten, die schlimmer sind als die Gefahren, die man zu bekämpfen vorgibt.

Nicht irgendwelche "Gefährder" sind die Gefahr, sondern jene, die von "Gefährdern" sprechen.

Zitat:

Bedrohung ist subjektiv und damit relativ. Sie bestimmt sich nicht im Verhältnis zu einem irgendwie messbaren Gefahrenpotenzial, sondern anhand der Risiken, die jeder von uns wahrnimmt. In einer zunehmend sicheren Welt richtet sich die Angst auf immer kleinere oder unwahrscheinlichere Szenarien. [...]

Wir wissen, dass wir nach aller berechenbaren Wahrscheinlichkeit am ehesten beim Putzen des Bads oder im Auto eines unnatürlichen Todes sterben werden. Trotzdem bekommen wir keine Gänsehaut beim Anblick unseres Badezimmers. Autohersteller werden nicht von der Polizei überwacht, obwohl es, gemessen an den Todeszahlen, naheliegender wäre, einen "Krieg gegen den internationalen Straßenverkehr" auszurufen. [...]

Selbst wenn wir davon ausgingen, die "Kofferbomber von Köln" hätten Erfolg gehabt, bedroht Sie das mit einem Risiko von eins zu vier Millionen. Rund siebenmal wahrscheinlicher ist es, als Kind zu ertrinken. Natürlich kommt trotzdem niemand auf die Idee, Schwimmbäder oder Badeteiche zu verbieten. Aber 76 Prozent der Deutschen geben an, dass sie Angst haben, Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden. (Quelle: Zeit.de)

Leider beleuchtet der Artikel nicht weiter die Frage, warum Polizei, Geheimdienste und Innenpolitiker auf Landes- und Bundesebene sich so sehr vor den Karren der irrationalen Ängste der Bevölkerung spannen lassen. Bei anderen politischen Themen geschieht dies ja auch nicht, da sind Politiker durchaus in der Lage Politik gegen den Stammtisch oder gegen populäre Missverständnisse durchzusetzen. Meine These ist, dass die Sicherheitsbehörden und Innenpolitiker bei diesem Thema nicht etwa Getriebene, sondern Treibende sind. Die gefährlichen Nebenwirkungen von immer intensiveren "Sicherheits"-Maßnahmen werden von diesen Leuten nicht nur hingenommen, sondern diese Nebenwirkungen sind sogar auf Seiten mancher Politiker erwünscht. Man muss sich nur ansehen, wie Schäuble, die CDU, die Generalbundesanwältin und manche Medien vermeintliche Ermittlungserfolge gegen Terrorismus politisch ausschlachten oder wie Sicherheitsbehörden Hand in Hand mit manchen Politikern Politik gegen vermeintlich hochgefährliche linke Gruppen (G8-Gegner) machen...

Freitag, 7. August 2009

SPD weiter auf politischen Abwegen ins extremistische Lager: Teile der SPD-Bundestagsfraktion befürworten Netzsperren bei Urheberrechtsverletzungen

(Via Fefe) SPD fordert Anti-Pirateriegesetz nach französischem Vorbild (Digitale Linke)

Zitat:

Die filmpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Angelika Krüger-Leißner, hat in der Juli-Ausgabe der Zeitschrift promedia (nur in der Printfassung zugänglich) gefordert, im Internet den "Schutz des geistigen Eigentums" nach französischem Vorbild sicherzustellen. Dazu ist sie bereit, auch Grundrechte über Bord zu werfen – so jedenfalls belegen es ihre Interview-Äußerungen: "In Deutschland ist manches schwieriger als in anderen Ländern. Wir haben starke Grundrechte in unserem Grundgesetz verankert, aber die hindern uns manchmal einfache, klare Lösungen zu finden. Als ich gehört habe, wie die Franzosen das Problem der Piraterie lösen wollen, habe ich mich gefragt, warum wir das nicht hinbekommen." [...]

["]Wir neigen immer dazu, komplizierte Lösungen zu finden, während die französische eine simple Lösung ist, die auf den ersten Blick einleuchtet." (Quelle: Blog.Die-Linke.de)

"Franzöisches Vorbild" heißt in diesem Fall, dass Urheberrechtsverletzern von einer Behörde auf Zuruf der Musikindustrie für lange Zeit jeglicher private Zugang zum Internet verboten wird. "Französisches Vorbild" heißt, dass Bürger massiv in ihrer informationellen Sebstbestimmung behindert werden. "Französisches Vorbild" heißt, dass Bürger massiv bei der demokratischen Mitwirkung in der Gesellschaft und in ihrer Berufsausübung und in ihren Kontakten und in ihrer Kommunikation mit Freunden und Familien behindert werden. Und das nur, weil eine sterbende Industrie, deren Dienstleistungen technisch überflüssig geworden sind, fiktive Schäden anzeigt.

Das "Französische Vorbild" im Umgang mit Urheberrechtsverletzern ist somit vor allem eines: Ein Vorbild der Unverhältnismäßigkeit und Inkompetenz und mit seinen Beschränkungen der Bürgerrechte ein schwerer Angriff auf das Grundgesetz und die Demokratie.

SPD weiter auf politischen Abwegen ins extremistische Lager: SPD-Chef Jurk in Sachsen nähme Verstoß gegen Grundgesetz in Kauf

Streitfall Web-Sperren entzweit die SPD (Heise.de)

Zitat:

Der sächsische Wirtschaftsminister Thomas Jurk von der SPD ließ sich in einem von der Freien Presse organisierten l Chat derweil gegenüber einem von ihm ausgemachten "Piraten" trotz seines abgelegten Eids auf die Verfassung zu einer gewagten Aussage verleiten: "Wenn wir gegen das Grundgesetz verstoßen, weil wir Pädophilen unmöglich machen kinderpornografische Bilder aus dem Internet herunterzuladen, dann nehme ich das in Kauf", erklärte der SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Sachsen. (Quelle: Heise.de)

Mensch, was für ein mutiger Mann, dieser SPD-Spitzenkandidat! Hat keine Scheu, das von vielen als so wichtig erachtete Grundgesetz zur Seite zu schieben! Wie engagiert von dem SPD-Mann! Unerschrocken gegen Verbrecher! Harte Hand gegen Kriminelle! Weg also mit diesem überflüssigen Balast namens Grundgesetz! So will ich die SPD sehen: Motiviert, auf Seiten des einfachen Mannes (der bei "Grundgesetz" eh nur "Bahnhof" versteht), engagiert gegen das Böse in der Welt. Nur so kann die SPD nämlich gegen ihren in Zukunft wichtigsten Konkurrenten dort unten im Lager der Unter-Fünf-Prozent-Parteien bestehen. Wenn dort unten im Sumpf die SPD nicht extremistische Töne anschlagen würde so wie dieser Murks, äh Jurks, äh Jurk, würde sie vermutlich nämlich glatt noch weniger Stimmen bekommen als die NPD. Die SPD kennt nämlich ihre Gegner und weiß total ganz genau, was ihre potenziellen Wähler wollen. Also: Weiter so!

Donnerstag, 6. August 2009

Grüne unterstützen Europakurs der CSU bei Diskussion um mehr Rechte für Bundestag auf EU-Ebene

Europapolitik: Grüne unterstützen Europakurs der CSU (Süddeutsche Zeitung)

Zitat:

Eine Stärkung des deutschen Parlaments in der Europapolitik sei immer schon eine Forderung der Grünen [...]. In einem vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestages im Auftrag der Grünen erstellten Entwurf des Begleitgesetzes heißt es: "Gibt der Bundestag eine Stellungnahme ab, legt die Bundesregierung diese ihren Verhandlungen zugrunde." Abweichungen erlaubt der Entwurf nur aus "wichtigen außen- und integrationspolitischen Gründen". [...]

SPD und FDP haben bereits klargestellt, dass sie eine Verbindlichkeit der Stellungnahmen des Bundestages ablehnen. Auch aus der CDU wurde zum Teil scharfe Kritik an dem Vorstoß der CSU geäußert. (Quelle: Sueddeutsche.de)

Die Grünen gelten ja bislang als absolute Pro-EU-Partei in Deutschland. Und die CSU als neue Anti-EU-Partei. So zumindest häufig die oberflächliche Darstellung in den Medien. Mal sehen, wie die Spindoktoren von SPD, FDP und CDU mit diesem "Bündnis" aus Grünen und CSU jetzt umgehen: Die Grünen zu Anti-Europäern erklären oder die CSU zu verantwortunglosen Spinnern? Irgendwie nicht glaubwürdig. Das schaffen selbst die Spindoktoren nicht. Ah, ich ahne, wie man mit diesem kleinen Aufkeimen von Sachpolitik umgehen wird bei SPD und CDU und somit auch beim größten Teil der deutschen Medien: Ignorieren.

Ein extremes Beispiel der Verlogenheit: SPD betreibt selbst ungefilterte DNS-Server - Müssen Kinderschänder nun der SPD dankbar sein?

Der Dank der Kinderschänder (Evildaystar.de)

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Eckhard Fischer beschimpfte kürzlich einen Bürger, der bekanntgegeben hatte, einen nicht gefilterten, nicht zensierten DNS-Server nutzen zu wollen mit den Worten: "Sie hingegen haben für sich die technischen Voraussetzungen geschaffen, damit sie sich weiterhin unbeschränkt, wenn Sie denn die Absicht hätten, die Vergewaltigung von Kindern betrachten können und dies auch im Bekanntenkreis weiter empfohlen. Die Kinderschänder in dieser Welt werden es Ihnen danken." Pädophile, die ihre Neigung bekämpften, würden dagegen der SPD danken, "da sie nun nicht mehr Gefahr laufen, versehentlich auf entsprechende Seiten zu stoßen". (Quelle: Heise.de).

Und nun zeigt das Weblog Evildaystar.de im oben verlinkten Artikel auf, dass die SPD selbst in ihrer Bundeszentrale eigene, anscheinend nicht gefilterte DNS-Server betreibt, die die Genossen zum ungefilterten Zugriff auf das Internet nutzen können.

Da kann man nur hoffen, dass es in der SPD keine Kinderschänder gibt. Aber da man das eben nur hoffen kann und darüber nicht sicher sein kann, ist die SPD aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion selbst also ein unverantwortlicher Verein, dem die Kinderschänder dieser Welt danken müssten.

Berichterstattung über kommende Leichtathletik-WM wird zeigen, welche Medien ihre Mitarbeiter schützen und welche nicht

taz sagt Leichtathletik-WM ab (Heise.de)

Auf den ersten Blick eine für Sportdesinteressierte völlig unwichtige Meldung, so scheint es: Die Taz wird nicht von der 12. Leichtathletikweltmeisterschaft berichten, die in wenigen Tagen in Berlin anfängt.

Die Taz berichtet jedoch nicht, weil sich eh kaum jemand dafür interessiert, oder weil sie Personalmangel haben. Nein, die Taz berichtet nicht, weil die Taz ihre Mitarbeiter und Journalisten beschützen will - so wie sich das für einen verantwortungsvollen Arbeitgeber gehört.

Denn jeder TV-Sender, jeder Radio-Sender und jede Zeitung, die in den nächsten Tagen eigene Reporter vor Ort von der Leichtathletikweltmeisterschaft berichten lassen, verletzen dabei die Rechte ihrer Mitarbeiter und Journalisten, weil die Journalisten nämlich unterschreiben mussten, dass das privatwirtschaftliche "Berliner Organisations-Komitee" (BOC), das die DopingSpiele organisiert, intensiven Zugriff auf viele bei den Sicherheitsbehörden eventuell gespeicherten Daten der Journalisten bekommen darf.

Zitat:

Ihnen [den Taz-Journalisten, Anmerkg. von mir, Solon] wurde den Angaben zufolge die Akkreditierung verweigert, weil sie die Einverständniserklärung nicht unterschrieben beziehungsweise entscheidende Passagen gestrichen hatten. Hätten sie es getan, wären laut taz über sie Erkundungen beim Landesdatensystem POLIKS, beim Polizeiinformationssystem INPOL-neu, beim polizeilichen Staatsschutz Berlin, bei der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze ("Gewalttäter Sport") sowie bei "vergleichbaren Datensammlungen der Polizei des Bundes und der Länder" eingeholt worden. Auch der Verfassungsschutz der Länder und des Bundes sowie der Bundesnachrichtendienst würden in die Untersuchungen eingebunden. Dies sei nicht nur unverhältnismäßig, hält die tageszeitung fest, es fehle zudem eine Rechtsgrundlage und die Journalisten würden ohne Anhaltspunkte zu potenziellen Verdächtigen gestempelt. (Quelle: Heise.de)

Man wird also in den nächsten Tagen offen sehen können, welche Arbeitgeber in den Medien die Rechte ihrer Mitarbeiter mit Füßen treten. Denn jeder Sender oder jede Zeitung, die mit eigenen Mitarbeitern direkt vor Ort von diesem krankheitsfördernden Profi-Sport-Ereignis berichtet, muss folgerichtig seine Journalisten zuvor ins Messer hat laufen lassen.

Natürlich ist das alles auch ein erneutes Beispiel für inaktzeptable Gesetze, die den Datenschutz nur als Erschwernis für Sicherheitsbehörden begreifen und nicht als Schutz für die Bürger. In Berlin regiert übrigens die SPD und die Linkspartei in einer Koalition. Warum also lassen sie derartige gesetzliche Möglichkeiten zu, dass Privatfirmen überhaupt in diesem Umfang Daten von staatlichen Sicherheitsbehörden nutzen dürfen?

Dienstag, 4. August 2009

Epochale Erfindungen: Sprache - Schrift - Buchdruck - Weblogs (Internet)

Die Blogosphäre ist der Albtraum für Kontrolleure (Welt.de)

Hätte nicht gedacht, dass ich mal einen Artikel von Alan Posener lobend verlinken würde.

Zitat:

Bloggen ist eine Informationsrevolution. Jeder kann sich ohne Hilfe eines Verlegers an ein Millionenpublikum wenden. Vielen passt das nicht – und daran scheiden sich die Geister. Denn die neue Technologie bedeutet – genau wie Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks – einen epochalen Machtwechsel. [...]

Jeder Journalist kennt das Phänomen, dass er erst beim Schreiben erkennt, was er sagen will. [...] Millionen Blogger bedeuten Millionen Menschen, die sich immerhin die Zeit nehmen, darüber klar zu werden, was sie eigentlich denken. Der Gewinn für den mentalen Aggregatzustand des Planeten dürfte immens sein. (Quelle: Welt.de)

Was natürlich noch nicht bedeutet, dass die realen politischen Machtverhältnisse sich dadurch bereits automatisch ändern zu Gunsten von mehr Mitbestimmung der Bürger. Aber es ist ein Anfang.

Großbritannien: Staatliche Überwachung von Eltern per Kamera in den privaten Wohnungsräumen soll ausgeweitet werden

Überwachungskameras für "gefährliche" britische Eltern (Taz.de)

Zitat:

Als "gefährlich" eingestufte Eltern soll künftig per Videoüberwachung IN DER EIGENEN WOHNUNG auf die Finger geschaut werden. [...]

In den nächsten zwei Jahren sollen 20.000 Familien via Kameras in jedem Zimmer ihrer Wohnung überwacht werden. Mit 2.000 Familien wurde das Programm bereits getestet. Die Kameras sollen beobachten, ob die Kinder ordentliche Mahlzeiten bekommen, zur Schule gehen und pünktlich ins Bett kommen. Zusätzlich sollen private Sicherheitskräfte rund um die Uhr Hausbesuche durchführen können [...]. (Quelle: Blogs.Taz.de/CTRL)

Telepolis berichtete bereits vor einiger Zeit über diese Überwachung von Eltern in Großbritannien, hier der Eintrag in meiner Linkablage dazu.

Großen Widerstand gegen das staatliche Zugucken beim Kinderbetreuen und womöglich auch beim Kinderzeugen scheint es in Großbritannien nicht zu geben.

So sieht das aus mit der Erosion von Werten. Was hierzulande noch als unfassbares Kuriosum, als absurd und haarsträubend angesehen wird, gilt anderswo bereits als "vernünftig" und wünschenswert. Ähnlich wirkt die Erosion von Werten auch über die Zeit: Was gestern noch als absurd und haarsträubend angesehen wurde, beispielsweise die Aufzeichnung aller Telekommunikationsverbindungsdaten aller Bürger jederzeit oder die Erlaubnis für die Polizei, heimlich in Wohnungen einbrechen zu dürfen, gilt heute den meisten Menschen als "vernünftig".

Die EU als antidemokratische, politische Dunkelkammer, wo beim Abendessen nebenbei die Bürgerrechte vom Tisch gefegt werden

Von wegen liberal: Mit einem SWIFT ist alles weg (Planet in Progress)

Zitat:

Und dann gibt es da noch einen vorverhandelten Punkt auf der Tagesordnung, dem die Minister ohne weitere Aussprache zustimmen. Schließlich scheint es nur um eine Kleinigkeit zu gehen: die Kooperation mit den USA in der Terrorbekämpfung, eine Formsache der Zeitgeschichte, wenn man so möchte. Einstimmig, nebenbei, nickten die Außenminister das Vorhaben ab: Die Europäische Union soll ein Abkommen schließen, das die Weitergabe von Bankdaten europäischer Bürger an die amerikanische Regierung erlaubt.

Die Außenminister erteilen auf diese Art ein Placet für einen Eingriff in Freiheitsrechte, der, würde er in den politischen Arenen der einzelnen Mitgliedsstaaten geplant, Wogen der Empörung auslösen würde. Was, anders gesagt, in Deutschland als Gesetz den Bundestag und eine geharnischte öffentliche Debatte passieren müsste, wird in Brüssel als Konferenzpunkt abgehakt. (Quelle: Blog.Zeit.de/Bittner-Blog)

Eigentlich möchte ich dazu nur sagen: Die EU ist eine ekelhafte Scheiße. Das träfe die Wahrheit zwar ziemlich genau, aber das wäre natürlich sittlich und politisch nicht korrekt und es wäre zu platt. Also lasse ich das. Und sage stattdessen: Die EU ist eine ekelhafte, große Scheiße. Ja, das trifft es doch wesentlich präziser. Und wer glaubt, nur die EU habe in den letzten 60 Jahren den Frieden in Europa ermöglicht oder Deutschlands Wirtschaft groß werden lassen, der wird von mir schlichtweg nicht ernst genommen. Also liebe ZDF-Leute vom ZDF-Morgenmagazin: Einfach Schnauze halten. Danke.

Ach ja, der gute Artikel von Jochen Bittner erläutert auch noch einmal genau, wie die USA die Daten des Bankdienstleisters SWIFT wunderbar zu einer umfassenden, weltweiten Wirtschaftsspionage nutzen (könnten).

Und zur Terrorabwehr dienen die SWIFT-Daten natürlich kaum. Aber das sollte inzwischen bereits jeder kreuzdämliche Bild-"Leser" wissen, dass Terrorabwehr der Weihnachtsmann der "Sicherheits"-Politiker ist.
Und Swift selbst gehört, nach allem was man weiß, kaum zu den bevorzugten Geldtransfermethoden von Islamisten. Sie bedienen sich vielmehr oftmals dem jahrhundertealten so genannten "Hawala"-System, auch bekannt als Underground Banking. (Quelle: Blog.Zeit.de/Bittner-Blog)

Deutschland hat jetzt eine Abhörzentrale. Bundesdatenschutzbeauftragter warnt - wie immer vergeblich

Schaar warnt vor staatlicher Überwachung (Spiegel.de)

Zitat:

Schaar sagte, er halte es für bedenklich, dass das Innenministerium die Anlage in Betrieb genommen habe, ohne den Abschluss der bereits angelaufenen Beratungen über ein Gesetz abzuwarten, das die Rechte und Pflichten des BVA festlegen solle. Die Einbindung des BVA in die Telekommunikationsüberwachung von verschiedenen Behörden bedeute einen zusätzlichen Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Fernmeldegeheimnis, sagte Schaar. Dafür fehle die gesetzliche Grundlage. [...]

Das BVA sei nicht nur technischer Dienstleister, "wie die Bundesregierung glauben machen möchte", erklärte Jelpke. Der Bundesrechnungshof habe festgestellt, dass die Administratoren des BVA sich in laufende Überwachungsmaßnahmen einschalten, also mithören könnten. Bei technischen Problemen sei das sogar unvermeidlich. "Dies verstößt gegen das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten", sagte Jelpke. (Quelle: Spiegel.de)

Die bekannte Salamitaktik von Schäuble bei der Einführung von neuen und/oder effizienteren Überwachungsmöglichkeiten macht es schwer, Schäubles Vorgehen zu kritisieren - wie dieses aktuelle Beispiel zeigt.

Noch kann Schäuble sagen, dass man ja noch gar nichts wesentlich Neues installiert habe. Noch lässt sich darüber streiten, ob die Bündelung der technischen Überwachung beim Bundesverwaltungsamt im Auftrag von BKA und Bundespolizei gegen Gesetze verstößt oder sonst bedenklich ist in Bezug auf den Datenschutz.

Aber dies ist ja nur der erste Schritt von Schäuble. Jetzt, wo es diese Abhörzentrale technisch eingerichtet erst einmal gibt beim Bundesverwaltungsamt, wird es für Schäuble oder seinen Nachfolger im Amt als Bundesinnenminister politisch wesentlich leichter, die Abhörzentrale weiter aufzurüsten und ihre Dienstleistungen auch den Verfassungsschützern und sonstigen Geheimdiensten zur Verfügung zu stellen.

Immer ein Schritt nach dem anderen. Schäuble ist ja kein Idiot.

Montag, 3. August 2009

Von der Leyen findet Demokratie äußerst problematisch und ruft zu Einschränkung der Demokratie auf

Opposition warnt vor umfassender Internet-Überwachung (Heise.de)

Zitat:

Mit ihrem wiederholten Aufruf zu einer Grundsatzdebatte über das "richtige Maß" von "Meinungsfreiheit, Demokratie und Menschenwürde im Internet" und der indirekten Forderung nach Maßnahmen gegen einen "rechtsfreien Chaosraum, in dem man hemmungslos mobben, beleidigen und betrügen kann", bestätige die CDU-Politikerin alle Befürchtungen [...].

Das Netz droht laut von der Leyen trotz ständiger Regulierungsmaßnahmen in eine Sphäre zu entarten, "in dem man hemmungslos mobben, beleidigen und betrügen kann". All das könne man im Internet tatsächlich tun, hält ihr der Rechtsanwalt Udo Vetter in einem Blogeintrag entgegen. "Genau so, wie man es im wirklichen Leben tun kann, zum Beispiel Angesicht zu Angesicht, per Brief, Fax oder Telefon. Aber egal, wie man es macht – es ist strafbar und wird verfolgt. Auch im Internet." Von der Leyen münze zudem das Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat in einen Handlungsauftrag des Staates um. "Plötzlich ist die Menschenwürde ein Grund für staatliches Eingreifen", schreibt der Jurist. "Der Staat schützt die Menschenwürde seiner Bürger, indem er Dritten den Mund zuhält oder durch Stoppschilder dafür sorgt, dass sie im Internet nicht mehr gelesen, gesehen und gehört werden können." (Quelle: Heise.de)

Da zeigt sich der kulturelle Riss, der durch die deutsche Gesellschaft, aber auch durch viele andere Staaten der Welt geht: Eine immer größer werdende Gruppe von Politikern propagiert ein neues Bild, ein neues Selbstverständnis und ein neues Aufgabenfeld des Staates: Der Staat solle überall und möglichst immer und umfassend Straftaten nicht nur aufklären, sondern im Vorfeld verhindern. Das ist der neue umfassende Präventionsgedanke. Der Staat als Präventionsstaat. Prävention als absolutes Ziel staatlichen Handelns.

Bislang war es gesellschaftlicher Konsens, dass vor allem eine gut funktionierende Strafverfolgung präventiv wirkt: Die Angst vor Strafe halte potenzielle Verbrecher von ihren Taten ab.

Die Strafverfolgung im Internet funktioniert wunderbar, sogar besser als im "realen" Leben, außerhalb des Internets. Warum also fordert von der Leyen neue Maßnahmen? Ganz einfach: Sie fordert keine neuen Maßnahmen der Strafverfolgung. Die funktioniert ja wunderbar. Sie will VOR der Strafverfolgung ansetzen. Das ist das Kennzeichen des überbordenen Präventionsgedankens.

Wenn von der Leyen also vom angeblich "rechtsfreien Raum" Internet spricht, dann meint sie nicht das gleiche wie Juristen oder der größte Teil der Bevölkerung. Sie meint damit nicht, dass es im Internet keine Strafverfolgung gibt oder dass es im Internet keine erfolgreiche Strafverfolgung gibt. Sie weiß genau, dass es in diesem Sinn keinen rechtsfreien Raum im Internet gibt. So will sie ja auch in ihren diversen Forderungen nicht etwa die Strafverfolgungsbehörden unterstützen, damit beispielsweise die Aufklärungsquote von Straftaten im Internet besser wird. Das ist gar nicht ihr Ziel. Denn dann müsste sie beispielsweise mehr Geld und Personal und eine bessere Ausstattung und Bildung auf Seiten der Polizei fordern.

Nein, es geht um etwas ganz anderes. Von der Leyen versteht das "rechtsfrei" anders als wir. "Rechtsfrei" ist für von der Leyen und diverse andere Unions-Politiker all das, wo es trotz erfolgreicher Strafverfolgung weiterhin zu Straftaten kommt. Die ganze Welt ist aus Sicht von von der Leyen und Schäuble demnach "rechtsfrei", denn überall gibt es - trotz erfolgreicher Strafverfolgung - weiterhin Verbrechen. Die Strafverfolgung reiche also als Mittel gegen Verbrechen nicht mehr aus. Und das meinen die ernst.

Von der Leyen hängt wie beispielsweise auch Wolfgang Schäuble einer neuen, gefährlichen, anti-demokratischen und aus meiner Sicht extremistischen Ideologie an: Der Ideologie, dass die Prävention durch erfolgreiche Strafverfolgung nicht mehr ausreicht, sondern dass der Staat all das, was irgendwo irgendwann durch irgendwen eventuell für Straftaten missbraucht werden kann, bereits im Vorfeld vom Staat reglementiert werden muss.

Um es platt auszudrücken: Der Staat bestraft nicht mehr nur, wenn jemand beispielsweise einen anderen mit einem Messer verletzt oder getötet hat, also im Nachhinein. Nein, der Staat bestraft bereits, beispielsweise ein Messer falsch zu halten oder in Anwesenheit von weiteren Personen im Raum zu benutzen. Hört sich sinnvoll an, hat aber den Pferdefuß, dass daraufhin natürlich die korrekte Messerbenutzung überwacht werden muss.

Hinter dem Präventionsgedanken steckt ein äußerst problematisches Welt- und Menschenbild. Das wäre etwa so, wie wenn Eltern ihre erwachsenen Kinder einsperren würden, weil ihr Nachwuchs draußen im Dorf oder in der Stadt mit einer nicht zu vernachlässigenden Wahrscheinlichkeit Verbrecher oder Verbrechensopfer werden könnten. So sieht der neue Paternalismus aus: Kontrollen verstärken und Freiheitsrechte berauben, damit der so Überwachte und Beraubte kein Täter oder Opfer wird. Dass man den so Überwachten und Beraubten dadurch sogleich zum Opfer macht, wird ausgeblendet.