Samstag, 20. September 2008

Idyllisches Portrait bei Zeit.de: Altersweise Neoliberale warten ab bis populistischer Sozialstaat-Mob ausgeschrien hat

Wo sind bloß die Liberalen? (Zeit.de)

Der Zeit-Artikel betrauert unüberhörbar das Verschwinden der neoliberalen Pseudo-Wirtschaftsexperten und ihrer billigen Propaganda mit ihren billigen Parolen und stellt solche vorbestraften Leute wie Lambsdorff als altersweise und bescheiden dar, die jetzt halt warten müssten, bis der dumme populistische Mob mit ihrem Ruf nach mehr Sozialstaat ausgeschrien hat.

Ausschnitt:

"Wir überwintern, aber wir schlafen nicht", sagt Michael Eilfort, der früher für Friedrich Merz arbeitete und damit für den größten Widersacher Angela Merkels in der CDU. Eilfort leitet nun in Berlin ein Institut namens Stiftung Marktwirtschaft und benutzt schon beim Mittagessen ohne Scham die klassischen Begriffe. "Eigenverantwortung, Wettbewerb und Freiheit" wolle er fördern, sagt er, sammelt dafür Geld und entwirft Projekte. Unumwunden gibt er zu, Schlagzeilen erzeugten seine Themen derzeit kaum. (Quelle: Zeit.de)

Es folgen dann, detailliert wiedergegeben von Zeit.de, die üblichen hanebüchenen, immer wieder wie ein religiöses Dogma wiederholten Dümmlichkeiten der Neoliberalen vom angeblichen Gegensatz zwischen Freiheit auf der einen Seite und Sozialstaat auf der anderen Seite.

Gegenargumente gegen diese kruden neoliberalen Glaubenssätze bringt der Artikel leider nicht. Und dieses Fehlen einer argumentativen Auseinandersetzung mit den Thesen der Neoliberalen macht den Artikel, trotz der kurzen Erwähnung, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufgetan habe, zur billigen neoliberalen Propaganda.

Deswegen kann ich gut nachvollziehen, warum die Neoliberalen äußerst zuversichtlich sind und davon ausgehen, dass ihre Thesen bald wieder allein tonangebend sind in der Politik.

Es ist diese Verweigerung objektiver Berichterstattung und die Verweigerung, dem Leser Entscheidungshilfen an die Hand zu geben und die Verweigerung eines Streits mit Argumenten in den Artikeln, die einen als Leser so dermaßen ankotzt bei vielen deutschen Medien.

Deutsche Medien kann und darf man nicht mehr ernst nehmen. Schülerzeitungen haben oft ein höheres Niveau als diese Kinderkacke, die ARD, ZDF, Zeit, FAZ, Spiegel, Welt und so weiter täglich ausscheiden.

EU-Terrorliste: EU-Regierungen ignorieren Justiz und missbrauchen Terrorliste weiterhin

EU-Terrorliste: Fragwürdige Verfolgung (Süddeutsche.de)

Äußerst zurückhaltend schildert der Artikel, wie die EU-Regierungen Richtersprüche und Parlamente ignorieren und die EU-weite Terrorliste nicht zur Bekämpfung des Terrors nutzen, sondern als politisches Machtmittel missbrauchen.

Schön, dass die Süddeutsche Zeitung sich überhaupt traut, das Thema immer mal wieder anzusprechen.

Ausschnitt:

Doch der Eindruck verstärkt sich, dass die Liste nicht auf rechtsstaatlichen Prinzipien beruht, sondern politischen Spielregeln gehorcht. So steht die libanesische, vom Iran finanzierte Terrororganisation Hisbollah nicht auf der Liste. Die Oppositionsgruppe Iranische Volksmudschaheddin (PMOI) hingegen, die vom Regime in Teheran verfolgt wird, steht seit 2002 auf der Liste, obwohl der Europäische Gerichtshof diese Entscheidung für nichtig erklärt hatte. (Quelle: Süddeutsche.de)

Die Nichtveröffentlichung von wissenschaftlichen Studien kostet Menschenleben

Missing in action: the trials that did not make the news (The Guardian)

Ben Goldacre bemängelt, dass viel zu viele wissenschaftliche Studien, die "negative" Ergebnisse hatten, nicht veröffentlicht werden. Gerade im medizinischen Bereich koste diese Praxis Menschenleben.

Ausschnitt:

For decades people have known that negative results tend not to get printed in academic journals, and it can happen for all kinds of reasons: they're not newsworthy, they're not much fun to write up, they don't look good on your CV, and they might not flatter your idea or product. [...]

We may never know what was in that unpublished data, but those missing numbers will cost lives in quantities larger than any emotive health story covered in any newspaper. (Quelle: Guardian.co.uk)

Der unerwartete Crash: Börsen gebrauchen völlig unzureichende statistische Methoden

The Fourth Quadrant: A Map of the Limits of Statistics (Edge.org)

Nassim Taleb erläutert, warum die statistischen Methoden, die an den Börsern der Welt verwendet werden, um die Risiken von Deals zu berechnen, auf das Geschehen an den Börsen eigentlich nicht angewendet werden können. Das Börsengeschehen unterscheide sich nämlich gänzlich von dem Gebiet, für das die statistischen Verfahren ursprünglich konstruiert wurden. Die statistischen Methoden beschäftigen sich meist mit Verteilungen, bei denen "Ausreißer"-Ereignisse keinen großen Einfluss haben auf die Art und Natur der Verteilung als solche.

An den Börsen jedoch können einzelne, seltene "Ausreißer"-Ereignisse die ganze Natur einer Verteilung verändern. Die herkömmlichen statistischen Methoden basieren jedoch darauf, dass eher die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens vieler kleinerer Ereignisse berechnet wird als die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens eines eklatanten Ausreißer-Ereignisses.

Ausschnitt:

Figure 1 My classical metaphor: A Turkey is fed for a 1000 days—every days confirms to its statistical department that the human race cares about its welfare "with increased statistical significance". On the 1001st day [Thanksgiving Day; Anmerkg. von mir, Solon], the turkey has a surprise. [...]

Figures 1 and 2 show you the classical problem of the turkey making statements on the risks based on past history (mixed with some theorizing that happens to narrate well with the data). A friend of mine was sold a package of subprime loans (leveraged) on grounds that "30 years of history show that the trade is safe." He found the argument unassailable "empirically". And the unusual dominance of the rare event shown in Figure 3 is not unique: it affects all macroeconomic data—if you look long enough almost all the contribution in some classes of variables will come from rare events [...]. (Quelle: Edge.org)

Börsen also als "Casino" zu bezeichnen, ist ein Euphemismus. Denn in einem Casino lassen sich normalerweise die Gewinnchancen genau berechnen - mit den bekannten statistischen Verfahren. An der Börse jedoch lässt sich im Endeffekt das Wesentliche nicht berechnen, weil es dazu gar keine adäquaten Verfahren gibt.

Short-Selling-Verbot als Regeländerung bei laufendem Spiel erzeugt Chaos

Markets Soar, but New Rules Upset Traders (New York Times)

Das Geschehen an Börsen ist komplex. Die Regeln, nach denen gehandelt wird, sind komplex. Es ist ein System, das unvorhersehbar reagiert. Deshalb ist es doppelt verwunderlich, dass die US-Regierung sich traut einfach so von einem Tag auf den anderen die Regeln des Spiels zu verändert und das Short-Selling verbietet. Über das Chaos, was dies auf Seiten der Händler verursacht, berichtet der New-York-Times-Artikel.

Ausschnitt:

In a day of chaotic trading, the currents in the financial world changed course on Friday morning after the Bush administration moved to prop up faltering financial institutions.

Stocks that had been beaten down soared. Treasuries and gold, where investors had sought safety in recent days, plunged. Junk bonds shot up. [...]

But across Wall Street, many of the basic mechanisms of the marketplace broke down after the Securities and Exchange Commission announced on Friday morning that it would ban short selling in nearly 800 financial stocks [...].

Computers that automatically buy and sell for big investors hit snags because they were not programmed for such a restriction. [...]

Some traders said they were no longer betting on the intrinsic health of companies, but rather on what the government might do next. Others simply withdrew from the market. (Quelle: Nytimes.com)