Montag, 14. September 2009

Der Drang der Parteien zur "politischen Mitte" tötet die Demokratie

Mit der verbalen Keule: Die politische Streitkultur in Deutschland (Manuskript einer Sendung des Deutschlandfunks)

Interessante Hintergrund-Sendung des Deutschlandfunks zur politischen Streit(un)kultur in Deutschland. Ein indirekter Aufruf für mehr Rhetorik und mehr klarer Streitkultur und wider die Konsenspolitik.

Zitat:

Für Politikwissenschaftler hängt der hiesige Wahlkampfverdruss auch mit einem tiefsitzenden Problem zusammen - dem in Deutschland weit verbreiteten Drang zur politischen "Mitte". Sie gilt als Symbol für den Ausgleich von sozialen und politischen Gegensätzen.

Die Politologin Chantal Mouffe argumentiert vehement gegen die allzu optimistische Diagnose derer, die ein Ende aller widerstreitenden Ideologien behaupten. Demokratie baue ihrer Natur nach stets auf Polarisierung und kollektive Identifikation. Die Abwesenheit des Streits stellt danach nicht einen besonderen Reifegrad, sondern im Gegenteil ein Defizit an Demokratie dar. [...]

Zitat Merseburger: "Es waren Adenauers und Schumachers Feindschaft gegen ein Große Koalition, ihre Furcht vor dem Gespenst von Weimar, die beide zu der Überzeugung brachten, die neugeborene Republik brauche glasklare Fronten im Parlament. Wenn die zunächst ungewohnte, ja anfangs ungeliebte Demokratie langsam im Volke Wurzeln schlug, so hat dies viel mit jener glasklaren Scheidung zu tun, auf die sich beide 1949 verständigt haben." (Quelle: Dradio.de)

Ein faszinierendes Beispiel dieser Streitkultur, die kein Blatt vor den Mund nimmt und so auf unausgesprochene Hintergründe und verschwiegene Motive hinweisen kann, bringt die Deutschlandfunk-Sendung auch:
Und wenn es noch eines Vergleichs bedurft hätte. Die aktuellen Anwürfe der Sozialdemokraten gegen den nobilitierten Alpen-Messias der Wirtschaftspolitik, Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg, muten geradewegs wie seichtes Geplätscher an gegen jene scharfzüngige Polemik, die der junge SPD- Bundestagsabgeordnete namens Helmut Schmidt-Hamburg vor genau 50 Jahren dem Großvater des heutigen Wirtschaftsministers im 3. Deutschen Bundestag zuteil werden ließ. Man beachte dabei eine parlamentarische Rarität: Polemik mit Ansage!

Diese wirkte wie die letzte revolutionäre Zuckung der deutschen Sozialdemokratie knapp eine Woche vor Verabschiedung des Godesberger Programms.

Helmut Schmidt (1959): "Hören Sie mir doch mal zu, ich bin ja noch gar nicht polemisch, das kommt noch verehrter Freund. Es fällt schwer, nicht zu beklagen, dass die Deutschen niemals eine Revolution zustande gebracht haben, die dieser Art von Großgrundbesitzern die materielle..." (Quelle: Dradio.de)

Der Rest des Satzes von Schmidt ging im daraufhin ausbrechenden riesigen tumultartigen Lärm im Bundestag unter.

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