Mittwoch, 30. April 2008

Zwei unterschiedliche Urteile dazu, ob IP-Adressen Bestandsdaten oder Verkehrsdaten sind

Zwei Urteile beschäftigten sich (indirekt) mit der Frage, ob die IP-Adressen von Surfern Bestandsdaten oder Verkehrsdaten sind:

Keine Akteneinsicht bei Filesharing-Vorwürfen (Heise.de)

Das Landgericht München I urteilt, dass die Identität eines Surfers von der Staatsantwaltschaft nicht einfach einem klagenden Anwalt mitgeteilt werden darf, wenn es nur um zivilrechtliche Ansprüche des klagenden Anwalts geht.

Ausschnitt (Hervorhebungen von mir):

Bei ihrer Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Akteneinsicht stellte die 5. Strafkammer des Landgerichts München I fest, dass die Staatsanwaltschaft die Interessenabwägung gemäß Paragraph 406e Abs.2 StPO zutreffend vorgenommen hatte. Dabei verwarf das Gericht den von der Klägerpartei vorgebrachten Vergleich, die Abfrage der zu einer IP-Nummer und einem Zeitpunkt gehörigen Personendaten würde lediglich einem Blick in ein Telefonbuch gleichen und rückte das Bild dahingehend zurecht, dass es eher darum geht "wer mit wem was am Telefon besprochen hat".

Insgesamt kam das Gericht zu der Ansicht, dass bei solch einer Akteneinsicht wegen Filesharingvorwürfen einem "erheblichen Eingriff" lediglich "fragliche zivilrechtliche Ansprüche" gegenüberstehen. Dabei spielte neben der Berücksichtigung der informationellen Selbstbestimmung, des Fernmeldegeheimnisses und der Persönlichkeitsrechte der Anschlussinhaber auch eine Rolle, dass mit dem bloßen Vorbringen einer gespeicherten IP-Nummer "deren eigene strafrechtliche Verantwortlichkeit für den Urheberrechtsverstoß nicht bewiesen ist". (Quelle: Heise.de)

Könnte man aus diesem Urteil folgern, dass das Landgericht München I in den IP-Adressen eher Verkehrsdaten und nicht Bestandsdaten sieht?

Anders das Landgericht Offenburg:
LG Offenburg: Ermittlung von Tauschbörsennutzern durch Staatsanwaltschaft oder Polizei ist zulässig (Heise.de)

Das Landgericht Offenburg sieht in der Zusammenführung von IP-Adressen mit den realen Adressdaten der Kunden anscheinend keine Erhebung von Verkehrsdaten. Die Folge wäre, dass Staatsanwaltschaften und die Polizei ohne richterliche Genehmigungen auf die Daten der Vorratsdatenspeicherung zugreifen dürfen, sofern "nur" abgefragt wird, welche IP-Adresse zu welchem Zeitpunkt wem gehörte. Dies seien Bestandsdaten und nicht Verkehrsdaten.

Ausschnitt:
Knackpunkt in der Begründung ist die Einordnung der zu ermittelnden Daten. Handelt es sich um so genannte Verkehrsdaten, steht die Providerauskunft unter Richtervorbehalt. Geht es aber um Bestandsdaten, sind Staatsanwaltschaften und auch die Polizei auskunftsberechtigt. Das LG Offenburg geht nun davon aus, dass es sich bei Name und Postanschrift eines Providerkunden um Bestandsdaten im Sinne des Paragrafen 3 Abs. 3 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) handelt. "Ausdrücklich ist dies allerdings auch der jetzt geltenden Fassung des TKG oder der StPO nicht zu entnehmen", betonen die Richter. [...]

Folgt man dieser Auslegung, ist die Auskunftserteilung auch nicht durch jene einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts tangiert, die den Behördenzugriff auf die Vorratsdaten außer bei schweren Straftaten verbietet. Denn hier ist nur der Zugriff auf Verkehrsdaten, nicht aber auf Bestandsdaten gemäß des neuen Paragrafen 113 Satz 1 Halbsatz 2 TKG geregelt. Gemäß der rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichts Offenburg müssen Provider folglich sowohl Staatsanwaltschaft als auch Polizei jederzeit Auskunft zu Anschlussinhabern hinter IP-Adressen geben. (Quelle: Heise.de)

Die Schlussfolgerung müsste eigentlich lauten: IP-Adressen sind Verkehrsdaten, denn sie teilen mit, was jemand im Internet wo angeschaut hat. Wer dieser Jemand tatsächlich war, offenbaren dann die Bestandsdaten der Provider. Das Wissen darüber, welche IP-Adresse wann welches Internetangebot angeschaut hat (Verkehrsdaten) ist so lange nicht brisant, so lange man nicht die Bestandsdaten kennt. Die Bestandsdaten der Provider sind so lange nicht (ganz so) brisant, so lange man nicht weiß, was der Kunde im Internet angeschaut hat. Die Abfrage von Bestandsdaten, um sie mit IP-Adressdaten zusammenführen zu können, wäre nach der Logik des gesunden Menschenverstandes meist immer eine Erzeugung von brisantem "Verkehrsdatenwissen", auch wenn Staatsanwaltschaft und Polizei nur "harmlose" Bestandsdaten bei den Providern abfragen.

1 Kommentar(e) vorhanden:

Anonym hat gesagt…

Die Kritik ist zu unterstützen. Lesen Sie auch http://vorratsdaten.2xik.com/