Freitag, 8. Februar 2008

Schulzeitverkürzung: Wie der Neoliberalismus die Kindheit abgeschafft hat, weil sie zu teuer ist

Schulzeitverkürzung: Ein pädagogisches Desaster (Zeit.de)

Ein äußerst lesenswerter Artikel.

Die bundesweit durchgesetzte Schulzeitverkürzung entpuppt sich nun auch für die elitegeilen Eltern als menschenfressendes Ungeheuer.

Ja, liebe Leute, so sieht er halt aus, der Neoliberalismus. Guckt ihn euch genau an, bevor er auch euch verschluckt. Die Wirtschaft hat er schon gefressen, dann die Medien, dann die öffentliche Verwaltung mitsamt der kommunalen Versorgungsleistungen. Bildungs- und Gesundheitssystem werden gerade verspeist. Auch die Außenpolitik, umgewandelt zur EU-Innen- und EU-Außenpolitik sind längst Spielfelder der Neoliberalen. Auch militärische Auseinandersetzungen zur Sicherung des Wohlstands werden bald auch von der EU ausgehen.

Es zählt nur noch eines im Neoliberalismus: Der ökonomische Faktor. Alle anderen Werte sind dem unterzuordnen. Der Staat soll nach Innen hin nicht mehr regulierend eingreifen und wird nach Außen hin zum Instrument der Absicherung von Eliteinteressen. Überall, in allen gesellschaftlichen Bereichen und Ebenen, muss Wettkampf und Wettbewerb eingeführt werden. Auf dass die starken, eh unabhängigen Eliten, die keinerlei Unterstützungsleistungen benötigen, die Schwachen endgültig unter ihre Knute zwingen können. Neoliberale sind eigentlich Wirtschafts-Anarchisten. Da sie aber Heilsverprechen von Wohlstand und Reichtum vor sich her tragen, finden sie viele Anhänger. So ist auch bei den sogenannten "christlichen" Unionsparteien längst jemand namens "Mammon" der neue Jesus.

Ausschnitt:

Zwanzig Minuten Mittagspause, die trostlose Kantine ist mehr schlecht als recht in zwei ehemalige Klassenzimmer gestopft, schnell essen, sonst reicht die Zeit nicht, aber viel Zeit möchte auf die geschmacksfreie Aluschalenkost, die totgekochten Nudeln und halbrohen Kartoffeln auch niemand verwenden; rasch mit dem Kohlehydratmatsch im Magen zurück in den Physikraum, biorhythmischer Tiefpunkt, noch zwei Unterrichtsstunden oder gar drei, um 16 Uhr kann der Heimweg angetreten werden, die Hausaufgaben dauern bei konzentrierter Erledigung bis etwa 18 Uhr: So sieht heute der Schultag an vielen Gymnasien aus, die die Schulzeit von neun auf acht Jahre bis zum Abitur verkürzt haben. [...]

Den Eltern scheint es endlich zu dämmern: "G8" ist eine Ideologie, der Nachmittagsfreizeit und Musikunterricht, Zeit für den Sportverein, für Freunde, fürs Lesen und fürs Nichtstun zu opfern sind. Diese Ideologie heißt "Tempo um jeden Preis" und bedeutet die Unterwerfung der Pädagogik unter sachfremde, ökonomistische Kriterien. Sie passt zum Zeitgeist der vergangenen 15 Jahre, in dem Schlagwörter wie "Konkurrenzkampf", "Wettbewerb" und "Wohlstand" (alles CDU-Leitantrag 2000) einen besseren Klang hatten als vermeintlich verstaubte Begriffe wie "Bildung", "Charakter", "geistige Reife" oder "Urteilsvermögen". Insofern ist die Turbo-Ideologie, obwohl sie ganz überwiegend von Christdemokraten vertreten wurde, zutiefst antibürgerlich [...].

Die thüringische Kultusministerin Christine Lieberknecht (CDU) formulierte freilich schon 1990 das entlarvendste Argument für das achtjährige Gymnasium: "Wir können uns ökonomisch gar nichts anderes leisten."

Damit hatte die Auseinandersetzung endgültig jeden Bezug zum Wohlergehen der Schüler und zum speziellen Bildungsauftrag des Gymnasiums verloren. 1993 einigten sich bei einem Treffen in Potsdam nicht etwa die Kultus-, sondern die Finanzminister der 16 Länder darauf, den Ministerpräsidenten den bisher radikalsten Vorschlag zu machen: die bundesweite Abschaffung der 13.Klasse [...]. [...] Baden-Württembergs damaliger Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) freute sich auf "mittelfristig erhebliche Einspareffekte". (Quelle: Zeit.de)

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