Montag, 3. August 2009

Von der Leyen findet Demokratie äußerst problematisch und ruft zu Einschränkung der Demokratie auf

Opposition warnt vor umfassender Internet-Überwachung (Heise.de)

Zitat:

Mit ihrem wiederholten Aufruf zu einer Grundsatzdebatte über das "richtige Maß" von "Meinungsfreiheit, Demokratie und Menschenwürde im Internet" und der indirekten Forderung nach Maßnahmen gegen einen "rechtsfreien Chaosraum, in dem man hemmungslos mobben, beleidigen und betrügen kann", bestätige die CDU-Politikerin alle Befürchtungen [...].

Das Netz droht laut von der Leyen trotz ständiger Regulierungsmaßnahmen in eine Sphäre zu entarten, "in dem man hemmungslos mobben, beleidigen und betrügen kann". All das könne man im Internet tatsächlich tun, hält ihr der Rechtsanwalt Udo Vetter in einem Blogeintrag entgegen. "Genau so, wie man es im wirklichen Leben tun kann, zum Beispiel Angesicht zu Angesicht, per Brief, Fax oder Telefon. Aber egal, wie man es macht – es ist strafbar und wird verfolgt. Auch im Internet." Von der Leyen münze zudem das Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat in einen Handlungsauftrag des Staates um. "Plötzlich ist die Menschenwürde ein Grund für staatliches Eingreifen", schreibt der Jurist. "Der Staat schützt die Menschenwürde seiner Bürger, indem er Dritten den Mund zuhält oder durch Stoppschilder dafür sorgt, dass sie im Internet nicht mehr gelesen, gesehen und gehört werden können." (Quelle: Heise.de)

Da zeigt sich der kulturelle Riss, der durch die deutsche Gesellschaft, aber auch durch viele andere Staaten der Welt geht: Eine immer größer werdende Gruppe von Politikern propagiert ein neues Bild, ein neues Selbstverständnis und ein neues Aufgabenfeld des Staates: Der Staat solle überall und möglichst immer und umfassend Straftaten nicht nur aufklären, sondern im Vorfeld verhindern. Das ist der neue umfassende Präventionsgedanke. Der Staat als Präventionsstaat. Prävention als absolutes Ziel staatlichen Handelns.

Bislang war es gesellschaftlicher Konsens, dass vor allem eine gut funktionierende Strafverfolgung präventiv wirkt: Die Angst vor Strafe halte potenzielle Verbrecher von ihren Taten ab.

Die Strafverfolgung im Internet funktioniert wunderbar, sogar besser als im "realen" Leben, außerhalb des Internets. Warum also fordert von der Leyen neue Maßnahmen? Ganz einfach: Sie fordert keine neuen Maßnahmen der Strafverfolgung. Die funktioniert ja wunderbar. Sie will VOR der Strafverfolgung ansetzen. Das ist das Kennzeichen des überbordenen Präventionsgedankens.

Wenn von der Leyen also vom angeblich "rechtsfreien Raum" Internet spricht, dann meint sie nicht das gleiche wie Juristen oder der größte Teil der Bevölkerung. Sie meint damit nicht, dass es im Internet keine Strafverfolgung gibt oder dass es im Internet keine erfolgreiche Strafverfolgung gibt. Sie weiß genau, dass es in diesem Sinn keinen rechtsfreien Raum im Internet gibt. So will sie ja auch in ihren diversen Forderungen nicht etwa die Strafverfolgungsbehörden unterstützen, damit beispielsweise die Aufklärungsquote von Straftaten im Internet besser wird. Das ist gar nicht ihr Ziel. Denn dann müsste sie beispielsweise mehr Geld und Personal und eine bessere Ausstattung und Bildung auf Seiten der Polizei fordern.

Nein, es geht um etwas ganz anderes. Von der Leyen versteht das "rechtsfrei" anders als wir. "Rechtsfrei" ist für von der Leyen und diverse andere Unions-Politiker all das, wo es trotz erfolgreicher Strafverfolgung weiterhin zu Straftaten kommt. Die ganze Welt ist aus Sicht von von der Leyen und Schäuble demnach "rechtsfrei", denn überall gibt es - trotz erfolgreicher Strafverfolgung - weiterhin Verbrechen. Die Strafverfolgung reiche also als Mittel gegen Verbrechen nicht mehr aus. Und das meinen die ernst.

Von der Leyen hängt wie beispielsweise auch Wolfgang Schäuble einer neuen, gefährlichen, anti-demokratischen und aus meiner Sicht extremistischen Ideologie an: Der Ideologie, dass die Prävention durch erfolgreiche Strafverfolgung nicht mehr ausreicht, sondern dass der Staat all das, was irgendwo irgendwann durch irgendwen eventuell für Straftaten missbraucht werden kann, bereits im Vorfeld vom Staat reglementiert werden muss.

Um es platt auszudrücken: Der Staat bestraft nicht mehr nur, wenn jemand beispielsweise einen anderen mit einem Messer verletzt oder getötet hat, also im Nachhinein. Nein, der Staat bestraft bereits, beispielsweise ein Messer falsch zu halten oder in Anwesenheit von weiteren Personen im Raum zu benutzen. Hört sich sinnvoll an, hat aber den Pferdefuß, dass daraufhin natürlich die korrekte Messerbenutzung überwacht werden muss.

Hinter dem Präventionsgedanken steckt ein äußerst problematisches Welt- und Menschenbild. Das wäre etwa so, wie wenn Eltern ihre erwachsenen Kinder einsperren würden, weil ihr Nachwuchs draußen im Dorf oder in der Stadt mit einer nicht zu vernachlässigenden Wahrscheinlichkeit Verbrecher oder Verbrechensopfer werden könnten. So sieht der neue Paternalismus aus: Kontrollen verstärken und Freiheitsrechte berauben, damit der so Überwachte und Beraubte kein Täter oder Opfer wird. Dass man den so Überwachten und Beraubten dadurch sogleich zum Opfer macht, wird ausgeblendet.

1 Kommentar(e) vorhanden:

Anonym hat gesagt…

Überwachen...
http://www.golem.de/0908/68812.html
Aufwachen!