Dienstag, 17. Juni 2008

Wozu ein starkes Europa? Habermas fordert "Diskussion auf den Marktplätzen"

Krise der Europäischen Union: Ein Lob den Iren (Süddeutsche.de)

Eine lesenswerte Analyse von Jürgen Habermas.

Ausschnitt:

Bis zum Gipfel in Nizza ist dieser Prozess, befördert durch die wirtschaftsliberalen Antriebe, als ein Eliteprojekt über die Köpfe der Bevölkerung hinweg betrieben worden. Seitdem werden die Erfolge der wirtschaftlichen Dynamik zunehmend als Nullsummenspiel wahrgenommen. Es gibt quer durch alle Gesellschaften hindurch immer mehr Verlierer. [...]

Die Schere zwischen den nach Brüssel und Straßburg verlagerten politischen Entscheidungsbefugnissen auf der einen und den in den Nationalstaaten verbliebenen demokratischen Beteiligungschancen auf der anderen Seite hat sich zu weit geöffnet. [...]

Die sozialpolitischen und kulturellen Nebenwirkungen der erwünschten und europaweit durchgesetzten Marktfreiheiten werden auf Nationalstaaten abgewälzt, denen der Zugriff auf die Entstehungsbedingungen dieser externen Kosten verwehrt ist. [...]

Ein Gemeinwesen darf nicht von vornherein so konstruiert sein, dass schon die Anlage des Gebäudes Alternativen zum bisher vorherrschenden Marktliberalismus ausschließt. [...]

Aber nach dem irischen Signal sollten wir von unseren Regierungen zwei Dinge erwarten. Sie müssen sich eingestehen, dass sie mit ihrem Latein am Ende sind. Und sie dürfen ihren lähmenden Dissens nicht weiter verdrängen. Am Ende bleibt ihnen nichts anderes übrig, als die Bevölkerungen selbst entscheiden zu lassen.

Das bedeutet, dass die politischen Parteien die Ärmel hochkrempeln, damit Europa auf den Marktplätzen zu dem lebenswichtigen Thema wird [...]. (Quelle: Süddeutsche.de)

Im weiteren Text spricht sich Habermas für ein Europa der zwei Geschwindigkeiten aus.

Ein wichtiges Problem der Zielsetzung hinter der Straffung der europäischen Exekutive spricht Habermas jedoch nur am Rande an: Dass Europa ja dadurch ein stärkerer Akteur in der Weltpolitik werden soll. Habermas geht anscheinend wie selbstverständlich davon aus, dass solch eine Rolle Europas nur positiv sein könne. Aber stimmt diese Annahme? Gibt es nicht Stimmen in der Union (namentlich beispielsweise ein gewisser Herr Kauder), die offen den europäischen Waffengang fordern, wenn beispielsweise China den Europäern die Rohstoffe "wegstiehlt"? Bei großen Teilen der "Elite" klingt bei der Sehnsucht nach einer strafferen europäischen Einigung ein Ton mit, der sich bei genauerem Hinhören als Waffengeklirre erweist.

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