Samstag, 15. August 2009

Guttenbergs geheimer, neoliberaler Plan für nach der Wahl

(Via Fefe) Gegenkonzept zur SPD: Guttenbergs Geheimplan (RP-Online.de)

Der Neoliberalismus lebt, ist stärker als je zuvor. So will Guttenberg die Belastungen für den normalen Bürger erhöhen und die Betriebe und ihre Besitzer weiter entlasten. Und das trotz der seit Jahren - trotz jüngstem Aufschwung - stark gesunkenen Reallohneinkommen der Arbeitnehmer. Und das trotz der Explosion der Gewinne für Investoren. Warum die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft in Deutschland, scheint bei der Mehrheit der Bevölkerung immer noch nicht angekommen zu sein. Die neoliberale Presse in Deutschland leistet also tatsächlich weiter hervorragende Desinformationsarbeit.

Also wird es nach der Wahl voraussichtlich eine weitere Erhöhung der Mehrwertsteuer geben, die Abschaffung der in manchen Berufen neu eingeführten Mindestlöhne und Gesetze, die den Solidarschutz für den normalen Bürger (beispielsweise Kündigungsschutz) weiter aushöhlen, im Gegenzug aber die Gewinne der Firmenbesitzer und Investoren weiter erhöhen werden.

Zwar hat Guttenbergs Sprecher sich etwas distanziert von diesem neoliberalen Träumen Guttenbergs, aber das Dementi klingt unglaubwürdig.

Zitat:

Guttenbergs Sprecher Steffen Moritz versuchte gestern schnell die Debatte einzufangen und bezeichnete den Entwurf als veraltet und "obsolet". Doch dafür ist das Werk, als Datum wird der 3. Juli 2009 genannt, zu umfassend und präzise. Guttenberg selbst hat es nach Informationen unserer Redaktion aus Regierungskreisen gelesen und lediglich in den Passagen zur ökologischen Ausrichtung der Industrie Nachbesserungen angemahnt. (Quelle: RP-Online.de)

Deutschland als illegale CIA-Folter-Zentrale: Regierung schweigt, SPD und Union wehren sich halbherzig, Medien desinteressiert

Gesammeltes Schweigen (Kölner Stadt-Anzeiger)

Zitat:

Bundeskanzleramt: Kein Kommentar. Innenministerium: Kein Kommentar. Auswärtiges Amt: Kein Kommentar. Bundesnachrichtendienst (BND): Kein Kommentar. Der Bericht der New York Times, die Geheimflüge und -gefängnisse des US-Geheimdienstes CIA in Europa seien aus Frankfurt am Main gesteuert worden, lösen bei den offiziellen Stellen in Deutschland gesammeltes Schweigen aus. (Quelle: KStA.de)

Soweit keine wirkliche Überraschung.

Was mich überrascht, ist, dass die deutschen Medien dieses hochspannende und hochbrisante Thema - zumal in der jetzigen Saure-Gurken-Zeit und beim jetzigen einschläfernden Wahlkampf - einfach mehr oder weniger links liegen lassen. Was hinter diesem Schweigen steckt, das würde mich wirklich mal interessieren. Auch bei ARD und ZDF gestern (außer in einem kleinen Online-Artikelchen) nichts.

Nur Grüne, FDP und Linkspartei weisen auf die Bedeutung der Enthüllungen hin und wollen die Arbeit des BND-Untersuchungsausschuss in verschiedener Art und Weise wiederbeleben.

Interessant sind noch die Reaktionen der Fraktionssprecher von Union und SPD. Zunächst Union:
Gesprächiger als die Regierung sind die Vertreter der Regierungsfraktionen im Ausschuss - und zweifeln die Enthüllungen des Agenten Foggo an. "Das liest sich wie eine Räuberpistole", findet Siegfried Kauder (CDU), der den Untersuchungsausschuss geleitet hat. In seinen Ermittlungen habe das Gremium kein Indiz gefunden, das die Behauptungen des Kronzeugen der New York Times bestätige. Kauder wirft den Oppositionsparteien "Wahlkampfgedöns" vor. (Quelle: KStA.de)

Vielleicht liest sich das wie eine "Räuberpistole", weil die Aktionen der CIA einer Räuberbande in Nichts nachstehen, sie sogar übertreffen in ihrer Kriminalität? Könnte das vielleicht daran liegen? Und meint Kauder, dass die deutschen Oppositionsparteien eventuell diesen ehemaligen CIA-Mann und die New York Times irgendwie dazu bewegt haben, gerade jetzt in Wahlkampfzeiten mit ihren Enthüllungen rauszukommen? Auf welchem Planeten lebt Kauder eigentlich?

Welch eine Steilvorlage diese Äußerungen von Kauder doch wären für die Medien!

Und was meint die SPD?
In der Sache geht SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, der lange Obmann seiner Partei im Untersuchungsausschuss war, sogar einen Schritt weiter: "Es gibt bis heute "keinen Beweis für die Existenz der 'Black sites'." (Quelle: KStA.de)

Diese Äußerungen von Oppermann, dem "Schatten-Innenminister" des Möchtegernkanzlers Steinmeier kann man nur noch als unverschämt bezeichnen. Selbst die US-Regierung gibt längst indirekt aber unmissverständlich zu, dass es diese Geheimgefängnisse gab. Auch die Ermittlungen des Europarat-Beauftragten Dick Marty bestätigen dies. Oppermann zieht sich also auf den Standpunkt zurück, dass nur weil die Existenz der Geheimgefängnisse nicht auf dem gleichen Niveau wie beispielsweise ein Beweis vor Gericht abgesichert ist, könne und dürfe man ernsthaft an ihrer Existenz zweifeln? Und dieser Mann will Bundesinnenminister werden? Da kann man nur dringendst davon abraten, die SPD zu wählen. Da ist mir ja sogar Schäuble noch lieber.

Und wieder keine Reaktion oder Auseinandersetzung in den deutschen Medien mit diesen ungeheuerlichen Aussagen...

Einzigartige deutsche Rechtssprechung macht's möglich: BGH ermutigt indirekt Polizei, Verdächtige illegal abzuhören

BGH lässt Verwertung von Erkenntnissen aus illegalem Lauschangriff zu (Heise.de)

Zitat:

Zwar entsprach das rheinland-pfälzische Polizeigesetz, auf dessen Grundlage die Verwanzung im Sommer 2004 angeordnet worden war, laut dem Richtspruch nicht in vollem Umfang den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht in seiner im März 2004 ergangenen Entscheidung zum großen Lauschangriff nach der Strafprozessordnung aufgestellt hatte. Insbesondere enthielt es nach der Einschätzung des BGH keine Regelung zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. In diese Sphäre darf der Staat nach der Maßgabe aus Karlsruhe auf keinen Fall eingreifen.

Die gewonnenen Erkenntnisse konnten aufgrund einer im Einzelfall erfolgten "Gesamtabwägung" gleichwohl für das Verfahren verwendet werden, urteilte nun der dritte Strafsenat des Bundesgerichtshofs. [...]

"Bei uns ist es leider nicht so wie in den USA, wo die Nutzung der Früchte vom verbotenen Baum auch in den Verfahren tabu ist", kommentierte der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert die Entscheidung gegenüber der Frankfurter Rundschau. Der Datenschützer fürchtet, die Rechtsprechung des BGH könnte dazu führen, dass Behörden auch rechtswidrig ermitteln. Dahinter stünde die Hoffnung, die illegal erlangten Beweise doch in Verfahren einspeisen zu können. (Quelle: Heise.de)

Damit ist erneut der Grundrechteschutz in Deutschland hinsichtlich der Überwachung Verdächtiger als Farce entlarvt, denn dabei geht es ja nicht nur darum, dass bestimmte Beweise nicht vor Gericht verwertet werden dürfen, sondern dass illegale Überwachungen als solche erst gar nicht stattfinden.

Positiv an dem Urteil des BGH ist lediglich, dass es bestätigt, dass deutsche Gerichte nicht nach Belieben die Definition, wer Terrorist ist, festlegen können, sondern sich dabei an deutsche Gesetze halten müssen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber was ist heute noch selbstverständlich, wenn es um Terroristen und deren Behandlung durch Sicherheits- und Justizbehörden geht?

Über den letzten Aspekt des BGH-Urteils berichtet die Süddeutsche Zeitung: Al-Qaida-Urteil des BGH: Strikte Vorgaben für Terrorismus-Urteile.

Zitat:
Zu Unrecht habe das OLG vermeintliche Gesetzeslücken mit einer "europarechtskonformen Auslegung" ausgleichen wollen, nämlich mit dem Hinweis auf einen EU-Rahmenbeschluss von 2002. Etwaige Korrekturen des engen deutschen Begriffs einer "Vereinigung" könne allenfalls der Gesetzgeber vornehmen, sagte Richter Jörg Peter Becker. (Quelle: Sueddeutsche.de)

Innenminister Bayerns nimmt zweifelhafte Studie von Jugendschutz.net zum Anlass, Netzsperren für rechtsextremistische Seiten zu fordern

Bayerns Innenminister fordert Sperren für rechtsextreme Web-Seiten (Heise.de)

Zitat:

Der bayrische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat eine Ausweitung der Web-Sperren auf rechtsextreme Internet-Seiten gefordert, meldet die Presseagentur dpa unter Berufung auf die Bild-Zeitung. Gegenüber Bild sagte der Politiker: "Die Zahlen zeigen, dass wir zur Bekämpfung härtere Maßnahmen wie eine Sperrung von rechtsextremen Internetseiten dringend brauchen". Herrmann bezieht sich dabei auf einen Bericht der Organisation jugendschutz.net, der im Jahr 2008 1707 rechtsextreme Seiten im Internet ausmachte. Ein Jahr davor hatte jugendschutz.net 1635 derartige Seiten gefunden. Die Zahl rechtsextremer Beiträge in sozialen Netzwerken und auf Videoplattformen habe sich jedoch von 750 auf 1500 verdoppelt. (Quelle: Heise.de)

Eine Kritik an den Zahlen und ihrem Zustandekommen gibt es bereits bei Netzpolitik.org zu lesen: Naziwebseiten: glaube nie einer Statistik,....

Zitat:
[Es gibt] In der Regel keine Unterscheidung zwischen Domains, Seiten, Beiträgen/Leserbriefen, "Angeboten", Portalen oder gar Diensten ausserhalb des WWW

[Es gibt] In der Regel keine Unterscheidung zwischen "rechtsradikalen" / "rechten" / "strafrechtlich relevanten" / "rechtsextremistisch beeinflussten" und eben "problematischen" Seiten. (Quelle: Netzpolitik.org)

Aber bevor man sich mit der Aussagekraft der Jugendschutz.net-Studie detaillierter auseinandersetzt, reicht ja schon der Hinweis, dass kein einziges rechtsextremistisches Angebot aus dem Netz verschwindet durch irgendwelche "Internetsperren". Die Löschung wäre hier die richtige Lösung. Oder noch besser: Politische Aufklärung. Denn auch durch die Löschung von rechtsextremistischen Internetseiten verschwindet dadurch ja leider nicht die rechtsextremistische Ideologie.

Mehr Wissen also statt weniger Wissen durch Sperrungen oder Löschungen wäre meiner Meinung nach wesentlich effektiver und sogar effizienter. Aber manche Politiker in diesem Land halten das Volk für absolut doof und dämlich und meinen, dass man mit der Stimme der Vernunft keinen Wahlkampf betreiben könnte.

Das Volk ist aber nicht doof, es wird höchstens dumm gehalten, zum Beispiel durch Medien, die diese grotesken Lügen über das Internet als "rechtsfreier Raum" nicht thematisieren - vermutlich, weil viele deutsche Medien selbst das Internet als Feind ansehen.

Freitag, 14. August 2009

Frankfurt war für CIA anscheinend zentraler Ort für Planung, Organisation und Versorgung der CIA-Folter-Gefängnisse

Interrogation Inc.: A Window Into C.I.A.’s Embrace of Secret Jails (New York Times)

Die New York Times berichtet über eine zentrale Figur der CIA beim Aufbau ihrer CIA-Geheimgefängnisse: Kyle "Dusty" Foggo. Der Artikel benennt außerdem zwei konkrete CIA-Geheimgefängnisse, und zwar in Bukarest, Rumänien und in Marokko. Außerdem spricht der Artikel von einem dritten Geheimgefängnis irgendwo in Osteuropa.

Die Planung und Koordination für den Aufbau und Ausbau der Geheimgefängnisse, in denen die CIA aller Wahrscheinlichkeit nach auch folterte, soll jedoch von Foggo von Frankfurt aus gemacht worden sein. Dort arbeitete Foggo und sein Team unbehelligt in einer "geheimen" CIA-Zentrale in einem früheren IG-Farben-Haus. Foggo stieg später daraufhin bis zum dritthöchsten Posten der CIA auf.

Deutschland war also anscheinend das Zentrum der CIA für die Ausstattung und die Organisation der geheimen Folter-Gefängnisse.

Aber wie sagte Schäuble vor dem BND-Untersuchungsausschuss: Er vertraue der CIA vollumfänglich und weigere sich nach CIA-Aktivitäten auf deutschem Gebiet zu suchen: BND-Untersuchungsausschuss: Schäuble verabschiedet sich von Souveränität Deutschlands (Linkablage).

Und Dick Marty, der Sonderermittler des Europarates, hatte also Recht - nicht nur was die Existenz von CIA-Geheimgefängnissen in Osteuropa betrifft, sondern auch mit seiner Vermutung, dass alleine die US-Presse das Netz der illegalen CIA-Tätigkeiten aufdecken werde und nicht die staatlichen Pseudo-Kontrollorgane (Parlamentsausschüsse beispielsweise) der westlichen Demokratien: Wie NATO und Geheimdienste Demokratie, Gewaltenteilung und Rechtsstaat gefährden: Verdacht rund um geheime NATO-Absprachen (Linkablage).

Die Basler Zeitung berichtet von den Reaktionen Dick Martys auf die Enthüllungen: Dieser Mann baute die CIA-Verliese.

Zitat:

"Die Fakten, die jetzt rauskommen, bestätigen meinen Bericht", sagte Marty auf Anfrage. Als Sonderermittler des Europarats hatte der ehemalige Staatsanwalt von 2005 bis 2007 die Berichte über CIA-Gefängnisse der USA in Europa untersucht. In seinen Reporten wies er denn auch auf Kerker in Marokko und Rumänien hin. "Die Rumänen sind immer noch schwer beleidigt", sagt Marty.

Er ist sich auch sicher, welches osteuropäische Land "Dusty" Foggo nicht nennen wollte. "Das muss Polen sein, da bin ich mir absolut sicher, denn ich habe dort eine sehr gute Quelle." (Quelle: BazOnline.ch)

Bleibt also die Frage, ob diese äußerst umfangreichen Tätigkeiten der CIA in Frankfurt - samt vermutlich hunderter geheimer Flüge nach, über und aus Deutschland - tatsächlich den deutschen Behörden unbemerkt blieben. Ich halte das für äußerst unwahrscheinlich. Und damit wäre dann auch der BND-Untersuchungsausschuss noch einmal deutlich als absolute Farce enttarnt. Und damit natürlich die Glaubwürdigkeit von Steinmeier, Schröder, Fischer, Merkel, Schäuble und wie sie alle heißen schwer angeschlagen.

Im Zweifelsfall, also wenn es "drauf ankommt", regiert in Deutschland eben nicht die vom Volk Bundestag gewählte Regierung, sondern es regieren alleine letztlich die Interessen der Geheimdienste und/oder des Militärs. Die intransparente, deutsche Form der Parteien-Demokratie ist nur ein ziviler Vorhang, der diese Tatsache etwas verdeckt und die Wohnstube gastlicher aussehen lässt. Was zur Zeit des kalten Krieges aus Sicht mancher Macht-Theoretiker noch Sinn gemacht haben mag, nämlich die Existenz eines nicht-souveränen Deutschlands mit einer Pseudo-Demokratie in Form unserer Parteiendemokratie, wird zunehmend zu einer Gefahr für die Bürger und ihre Freiheit. Das freie Walten und Schalten der CIA auf deutschem Territorium macht dies - unter anderem - deutlich.

Die Frankfurter Rundschau berichtet auf Deutsch über den Artikel der New York Times: CIA-Gefängnisse: Geheimknäste von Frankfurt aus geplant?.

Mal sehen, welches Medien-Echo diese Enthüllungen in Deutschland auslösen. Darf ich raten? Ich befürchte: keine nennenswerten. Aber, mal sehen... Und wenn sie tatsächlich kein größeres Echo auslösen, wäre dies wiederum ein äußerst interessanter Hinweis, ein deutliches Zeichen dafür, wem die Loyalitäten der großen Medien in Deutschland gelten. Besonders gespannt bin ich auf die Berichterstattung von ARD und ZDF. Wird es Brennpunkte geben? Sondersendungen oder zumindest "harsche Interviews" mit Merkel, Schäuble, Steinmeier? Aber welcher Journalistendarsteller von diesen Sendern sollte solche "harschen Befragungen" machen? Vielleicht sollten deutsche Medien mal bei der CIA nachfragen, wie man so etwas macht?

Donnerstag, 13. August 2009

Smartphone "Palm Pre" verschickt Daten über Nutzer an Hersteller

Palm Pre telefoniert nach Hause (Heise.de)

Zitat:

Nach einer Analyse des amerikanischen Bloggers Joey Hess überträgt das Smartphone Palm Pre regelmäßig Daten an den Hersteller Palm. Dazu gehörten etwa die aktuellen GPS-Koordinaten, eine Liste abgestürzter Anwendungen sowie – besonders bemerkenswert – Namen und Nutzungsdauer der installierten Programme. (Quelle: Heise.de)

Übrigens, Ihre Wohnung ist nicht abgeschlossen, auch wenn sie abgeschlossen ist

Lockpicking and the Internet (Schneier.com)

Zitat:

Physical locks aren't very good. They keep the honest out, but any burglar worth his salt can pick the common door lock pretty quickly.

It used to be that most people didn't know this. Sure, we all watched television criminals and private detectives pick locks with an ease only found on television and thought it realistic, but somehow we still held onto the belief that our own locks kept us safe from intruders. (Quelle: Schneier.com)

Der Artikel enthält jede Menge Links zu Informationen darüber, wie leicht es ist, normale Türschlösser (aber auch unnormale, teure) zu öffnen - ohne Spuren zu hinterlassen. Das geht häufig in wenigen Minuten. Wer also sicher gehen will, dass während seiner Abwesenheit niemand in der Wohnung war, sollte entweder ausgeklügelte Videoüberwachung betreiben oder sonst irgendwie seine Wohnung so präparieren, dass heimlicher Besuch zumindest im Nachhinein nicht verborgen bleibt.

Großbritannien verurteilt tatsächlich Menschen, weil sie von ihrem Recht zu schweigen Gebrauch machen

Two convicted for refusal to decrypt data (The Register)

Zitat:

Two people have been successfully prosecuted for refusing to provide authorities with their encryption keys, resulting in landmark convictions that may have carried jail sentences of up to five years. (Quelle: TheRegister.co.uk)

"Sie haben das Recht zu schweigen"... - dieser von Rechtsstaaten weltweit bislang respektierte Grundsatz der Rechtsprechung gilt in Großbritannien nicht mehr. Großbritannien ist demnach - wohl nicht nur aus meiner Sicht - kein Rechtsstaat mehr.

Mittwoch, 12. August 2009

Studie des DIW: Reallöhne der Arbeitnehmer sanken in vergangenen Jahren in nie gekannter Weise - Einnahmen von Kapitalanlegern stiegen rasant

Arbeitnehmer schultern immer mehr Lasten (Spiegel.de)

Zitat:

Was viele Arbeitnehmer ohnehin als gefühlten Trend im Alltag wahrnehmen, ist nun durch eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) belegt: Ihre Belastung durch Steuern und Sozialabgaben steigt stetig, die Löhne dagegen sinken. Arbeitnehmer hätten in den vergangenen fünf Jahren unter dem Strich immer weniger verdient.

Als "einmalig" in der Geschichte der Bundesrepublik wertete das Institut das Phänomen, das die Löhne hierzulande auch nach dem 2004 einsetzenden Aufschwung weiter gesunken sein. [...]

Die schwache Lohnentwicklung sei zudem nicht darauf zurückzuführen, dass die Einkommen von gering Qualifizierten gesunken sei. Vielmehr seien die Einkommen aller Berufsgruppen gesunken. (Quelle: Spiegel.de)

Privatisierung von Brandenbuger Seen vorerst gestoppt

Brandenburger Seen bleiben volkseigen: Privatisierung geht baden (Taz.de)

Zitat:

Der Verkauf von Seen wird vorläufig gestoppt, verkündet die zuständige Bundesbehörde. Probleme wie am Wandlitzsee sollen künftig vermieden werden. (Quelle: Taz.de)

Äußerst untypisch. Folge des Wahlkampfes oder eines grundlegenden Umdenkens?

Hinterm Horizont der Parteiendemokratie geht's weiter: Lafontaine und Gauweiler auf der Suche nach mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten für das Volk

Lafontaine-Gauweiler-Auftritt: Stelldichein der Outlaws (Spiegel.de)

Zitat:

Pointen, Sprachmacht, Populismus: Bei einem skurrilen Wahlkampfauftritt auf dem Münchner Nockherberg spielen sich Linke-Chef Lafontaine und CSU-Renegat Gauweiler die Bälle zu - und wirbeln links und rechts durcheinander. [...]

Und dann setzt Lafontaine auf die Sache mit den Parteispenden. Er wolle eine Demokratie, die nicht von Spenden beeinflusst werde. Deshalb sollten Großkonzerne und Banken nicht an Parteien spenden dürfen. [...] "Ihr seid Opfer Eurer Naivität", ruft der CSU-Mann dem linken Block zu. Längst seien nicht mehr die Spenden ausschlaggebend, sondern die Wahlkampfkostenerstattung durch den Staat, die die Parteien steuern würden. "Wir entwickeln uns zu einer Parteiapparateherrschaft, das ist viel bedrohlicher", ärgert sich Gauweiler.

Sein Rezept: Die Bürger sollen auf der Wahlliste einzelne Kandidaten und nicht die Liste, also den "Apparat", wählen können: "Wir brauchen den freien Parlamentarier." (Quelle: Spiegel.de)

Man könnte es vielleicht so ausdrücken: Lafontaine und Gauweiler haben beide zum Ziel, dem Volk mehr Mitsprachemöglichkeiten und mehr direkten Einfluss auf die Politik zu ermöglichen. Der Spiegel nennt dieses Ziel in der typischen Manier der deutschen Medien (die riesige Angst vor Veränderungen des Status Quo haben) "Populismus". Deshalb, wegen diesem gemeinsamen Ziel fanden sich Lafontain und Gauweiler Seite an Seite vorm Bundesverfassungsgericht wieder, als es gegen den Lissabon-Vertrag der EU ging. Gauweiler greift darüber hinaus den Parteienstaat, die Parteiendemokratie direkt an, während Lafontain eher sieht, dass das Fehlen sozialer Absicherung dazu führt, dass die Menschen nicht teilhaben an der Politik und dass Wirtschaftslobbyisten die Macht an sich gezogen haben.

Es wäre schön, wenn sich hier eine alle Lager überspannende Koalition bilden könnte, die gemeinsam überlegt, wie man die Demokratie in Deutschland wieder auf Vordermann bringen könnte. Ohne eine umfassende Reform scheint es nicht mehr zu gehen. Diese Reform müsste einerseits die Macht der Parteien extrem zusammenschrumpfen lassen zu Gunsten freierer Parlamentarierer und zu Gunsten direkterer Mitsprachemöglichkeiten der Bürger. Außerdem müssten Mittel und Wege gefunden werden, den nicht-öffentlichen Einfluss von Lobbyisten zu unterbinden und es müsste von beiden Lagern betont werden, dass Demokratie ohne soziale Gerechtigkeit nicht funktioniert.

Aber solch ein Kampf für mehr Demokratie wird nicht einfach. Lobbyisten, die von der Wirtschaft zu einhundert Prozent abhängigen Medien, die sogenannten Parteien der "Mitte" und die Neoliberalen (die ja einen schwachen Staat - und damit dann automatisch auch eine schwache Demokratie und einen schwachen Einfluss der Bevölkerung - wollen) werden alles tun, um eine Abschaffung der Parteiendemokratie zu Gunsten einer echten parlamentarischen Demokratie, angereichert durch Mitbestimmungsverfahren der direkten Demokratie, zu verhindern.

Dienstag, 11. August 2009

Bürgerrechtsorganisation "Statewatch" warnt: EU entwickelt sich zum Überwachungsstaat

(Via Heise.de) EU agrees rules for remote computer access by police forces – but fails, as usual, to mention – the security and intelligence agencies (Statewatch.org, PDF-Datei)

Zitat:

A quote from Senator Frank Church, who headed a seminal inquiry in 1975 into the surveillance of the peace movement in the USA (the "Church Committee report"), seems pertinent: "If a dictator ever took charge in this country, the technological capacity that the intelligence community has given the government could enable it to impose total tyranny, and there would be no way to fight back because the most careful effort to combine together in resistance to the government, no matter how privately it was done, is within the reach of government to know. Such is the capacity of technology." And that was more than 30 years ago. (Quelle: Statewatch.org)

Statewatch weist darauf hin, dass die Geheimdienste der USA und verschiedener EU-Staaten vermutlich per heimlicher Online-Durchsuchung auf die Computer der Bürger zugreifen. Es gäbe für die Geheimdienste dabei keinerlei rechtliche Regelungen, weshalb davon auszugehen sei, dass die Geheimdienste schlicht und einfach alles tun, was technisch möglich ist an heimlichen Überwachungsmaßnahmen.

Außerdem vermutet Statewatch, dass nach der Umsetzung des Lissabon-Vertrages in der EU auch die Zusammenarbeit (und damit auch der Datenaustausch) zwischen den verschiedenen nationalen Geheimdiensten durch eine neue EU-Institution geregelt und intensiviert werden könnte.

Ich gehe schon lange davon aus, dass es keinen Schutz gibt vor dem Staat. Wenn der Staat etwas wissen will, wenn der Staat jemanden intensiv überwachen will, dann wird er es machen. Und wenn es rechtlich nicht möglich ist, beispielsweise den Computer von jemandem zu verwanzen und Kameras in seiner Wohnung zu installieren (weil selbst ein Amtsrichter beispielsweise einer Überwachung eines Anwalts oder eines bekannten Journalisten ohne Vorliegen von handfesteren Belegen für ein vorliegendes Verbrechen nicht zustimmen würde), dann wird sich das BKA vermutlich ohne große Schwierigkeiten heimlich an den BND wenden und der wird eventuell die CIA fragen, doch einmal heimlich in die Wohnung der zu observierenden Person einzudringen. So halten sich dann alle Parteien mehr oder weniger an die Gesetze und so kann jeder jederzeit intensiv und heimlich und an der Justiz vorbei überwacht werden.

Geheimdienste halt. Die größten Gefährder der Demokratie.

Und hier noch eine interessante, noch umfassendere Analyse von Statewatch.org zum aufkeimenden EU-Überwachungsstaat:

The Shape of Things to Come - the EU Future Group (Statewatch.org, PDF-Datei)

Zitat:
"Every object the individual uses, every transaction they make and almost
everywhere they go will create a detailed digital record. This will generate a
wealth of information for public security organisations, and create huge
opportunities for more effective and productive public security efforts." (EU
Council Presidency paper) [...]

This examines the proposals of the Future Group and their relation to existing and
planned EU policies. It shows how European governments and EU policy-makers are
pursuing unfettered powers to access and gather masses of personal data on the
everyday life of everyone – on the grounds that we can all be safe and secure from
perceived "threats". (Quelle: Statewatch.org: The Shape of Things to Come - the EU Future Group, PDF-Datei)

Diese 60 Seiten starke Analyse von Statewatch.org macht deutlich, dass die EU-Regierungen intensiv die technischen Möglichkeiten zu einer noch umfassenderen Überwachung der Bürger ausloten und ihre Überwachungsmaßnahmen auch international und auf EU-Ebene koordinieren wollen und alle gewonnenen Daten über die Bürger untereinander austauschen wollen.

Montag, 10. August 2009

Grotesker Nicht-Wahlkampf enthüllt tiefe Krise des Parlamentarismus in Deutschland

(Via Lallus.net) Wahlkampf: Nehmt uns endlich ernst! (FAZ.net)

Zitat:

Es waren also, so viel darf man vielleicht doch schon sagen, die Tage, in denen das Unbehagen an diesem Wahlkampf wuchs und wir, die Wähler, das Gefühl nicht mehr verdrängen konnten, dass wir ja sehr gerne all die wahlkämpfenden Politiker, deren Spin-Doktoren, PR-Heinis und Berater viel ernster nehmen würden - wenn wir uns nur von ihnen endlich ernst genommen fühlten: wenn also jene, die von uns gewählt werden wollen, mit uns so sprächen, wie Menschen sprechen, die einander prinzipiell für intelligent, erwachsen und zurechnungsfähig halten. [...]

Es kann ja nur die Angst vor dem Wähler sein, was unsere Wahlkämpfer dazu bringt, genau diesen Wähler so hemmungslos zu unterfordern, dass so viele, vor lauter Fremdsein im Wahlkampf, am liebsten Horst Schlämmer wählen würden. (Quelle: FAZ.net)

Jeder, der den letzten US-Präsidentschaftswahlkampf verfolgt hat, wird derzeit vermutlich bei der Beobachtung des deutschen Wahlkampfes nur mit staunenden, offenen Augen dasitzen oder eingeschlafen sein. Staunend darüber, dass es keinen Wahlkampf in Deutschland gibt oder eingeschlafen darüber, dass es keinen Wahlkampf in Deutschland gibt.

Natürlich gab es im US-Wahlkampf auch absolut groteske Momente. Aber sie wurden erzeugt durch die üblichen Versuche der Wahlkämpfer die Wähler mit aller Gewalt auf ihre Seite zu ziehen. Diese grotesken Momente waren, genauso wie die erbitterten inhaltlichen Debatten, Ausdruck eines mit großer Energie geführten Kampfes.

Sobald ein Politiker in Deutschland jedoch ein bestimmtes Image hat in den Medien, mit dem er leben kann, kann man es sich als Politiker in Deutschland bequem machen. Das Image wird weiter Thema bleiben in den Medien, aber nicht politische Ideen oder gesellschaftliche Probleme. Man muss gut lächeln können, aber das Denken ist nicht so wichtig. Die Politiker in Deutschland machen es sich bequem. Sie können es sich bequem machen, denn es gibt niemanden, beispielsweise in den Medien, der sie wirksam (so also, dass die Politiker reagieren müssten) in Bedrängnis bringen könnte durch Hinweise auf inhaltliche Ungereimtheiten in ihren Programmen.

Das mag daran liegen, dass die Parteiprogramme in Deutschland eh für die aktuelle Politik völlig unwichtig sind. Die Regierung kennt ihr Parteiprogramm meist gar nicht (mehr). Und die Partei und die Bundestagsabgeordneten der eigenen Partei vergessen das Parteiprogramm auch wieder ganz schnell, sobald sie an der Macht sind. Parteien geht es darum, an die Macht zu kommen, nicht ihr Parteiprogramm umzusetzen. Mit der daraus resultierenden Unglaubwürdigkeit können sie leben. Denn der Wähler hat ja keine Alternativen, weil jede Partei - wegen des politischen Systems in Deutschland - sich so verhält.

Samstag, 8. August 2009

Süddeutsche.de-Artikel gegen all die Mythen rund um die angebliche Notwendigkeit von Internetsperren gegen Kinderpornografie

Kinderpornografie: Simple Lösungen für ein komplexes Problem (Süddeutsche Zeitung)

Die Artikel-Überschrift ist leicht irreführend. Es geht um die Internetsperren gegen Kinderpornografie. Und die sind ja nun gerade keine Lösung, auch keine simple. Schon gar keine Lösung gegen Kinderpornografie.

Der Artikel erläutert, dass es zudem gar keinen Massenmarkt mit kinderpornografischen Abbildungen im Internet gibt. Dies sind die Beobachtungen von Rechtsanwalt Udo Vetter.

Und der Artikel problematisiert die Art und Weise, wie die Internetsperren in einem Hoppla-Hopp-Verfahren politisch durchgesetzt und zum Gesetz wurden.

Außerdem erläutert der Artikel, warum das Internet überhaupt kein rechtsfreier Raum ist.

Irritierende Frage im "Medienzeitalter": Wie erreicht man, dass die Leute wieder über Politik informiert sind?

Schlacht um die Offliner (Malte-Welding.com)

Malte stellt die entscheidende Frage:

Momentan werden die Bürger von dem Thema nicht recht erreicht. Gestern erst meinte eine Bekannte, die mitbekommen hat, dass ich gerade was zu dem Thema schreibe: “Ja, ich hab da auch mal gelesen, dass das jetzt ganz gefährlich sei, weil die sich jetzt so aufregen, dass sie nicht mehr auf die Seiten kommen.” Wir reden hier von einer netten, intelligenten jungen Frau, die von Netzsperren nur sehr am Rande mal etwas gehört hat. Wie kommt man an die Leute ran, die keinen Facebookaccount haben, nicht twittern und schon gar nicht bloggen? (Quelle: Malte-Welding.com)

Früher hätte man geantwortet: Sag den Offlinern, sie sollen mal ein bisschen aufmerksamer die Nachrichten verfolgen, damit sie mitbekommen, was um sie herum geschieht.

Dieser Tipp funktioniert heute bekanntlich nicht mehr. Und das nicht, weil die Offliner überhaupt gar keine Nachrichten verfolgen, sondern weil sie in den Offline-Nachrichten meistens nichts Relevantes finden. Die Hauptbotschaft der Tagesschau ist es ja, zu melden, dass die Welt (immer) noch nicht untergegangen ist, dass Politiker XY um sein Ansehen kämpft, dass es Diskussionen gibt um Steuererhöhungen/Krankenkassenbeitragssatzerhöhungen/sonstige steigende oder fallende Preise/Sozialausgabensenkungen oder -erhöhungen. Und natürlich Sport und Wetter und Lottozahlen. Politikerpersönlichkeiten, Geld (aber nur, wenn es bei diesem Thema um einige wenige Euro mehr oder weniger im Monat geht), Sport, Wetter, Lotto. Diese Themen gelten in den Normalo-Medien als relevant. Aber sind das tatsächlich die relevanten Themen? Viele Rezipienten nehmen das einfach hin. Sie kommen nicht auf den Gedanken, nicht nur den Inhalt einzelner Nachrichten zu hinterfragen, sondern die gesamte Themenauswahl und Themenschwerpunktsetzung.

Vielleicht wäre es also eine mögliche Lösung, den Leuten die thematische Beschränktheit der Mainstream-Offline-Medien unter die Nase zu reiben und was diese Beschränktheit mit ihnen, ihrer Gesellschaft, ihrer Umwelt und ihrem Weltbild macht.

Gefragt wären also Strategien, die Beschränktheit der Mainstream-Medien plastisch vor Augen zu führen, damit "die Leute" stärker und häufiger anfangen, den Medienzirkus von sich aus zu hinterfragen und von sich aus nach anderen Informationen zu suchen.

Kognitive Dissonanz erzeugen - und zwar schnell und nachhaltig - wäre also vermutlich eine dieser möglichen Strategien. Aber das ist nicht einfach. Fetzig geschriebene Weblogs, auf die man dann beispielsweise konkret verweisen kann, könnten ein kleines Puzzleteil solch einer Strategie sein.

Das ZDF zeigt Politiker zum Wohlfühlen - Aaaaahhhhh, ist das alles schöööön. Ist ja auch Urlaubszeit.

Kolumne: Liebe Meinungsmacher! (Frankfurter Rundschau)

Mely Kiyak, Kolumnistin der Frankfurter Rundschau, wundert sich über die Spitzenkandidaten-Lobhudeleien im ZDF.

Zitat:

Diese Woche sah ich im ZDF einen Filmbeitrag über den Kanzlerkandidaten. In der Programmzeitschrift stand: Porträt. Ich sah aber eine Werbesendung. [...]

Warum werden Spitzenkandidaten oder Parteivorsitzende der anderen drei Parteien nicht in einer Einzelsendung gezeigt? (Quelle: FR-Online.de)

Wie jetzt? Eine Sendung, in der alle Spitzenkandidaten miteinander kritisch verglichen werden, beispielsweise? Hahaha, der Witz war gut. Wir sind hier nicht in Großbritannien und wir haben deshalb hier auch keine BBC, sondern ARD und ZDF. Der Deutsche mag keine freche Rumfragerei, sondern liebt die aalglatten Journalisten-Darsteller bei ARD und ZDF. Das war schon immer so. Und da werden ARD, ZDF und die Politiker auch drauf achten, dass das so bleibt.

Deutsche Innenpolitik ist geprägt von einer Kultur der Unsicherheit und Angst

Staatliche Überwachung: Sicherheit total (Zeit.de)

"Wenn wir Angst haben, raschelt es überall." (Sophokles)

Ein sehr guter Artikel, der ebenfalls aufzuzeigen versucht, dass die Sicherheitspolitik bestimmt ist von Übertreibungen, falschen Rezepten, Unverhältnismäßigkeit und in Folge dessen Nebeneffekten, die schlimmer sind als die Gefahren, die man zu bekämpfen vorgibt.

Nicht irgendwelche "Gefährder" sind die Gefahr, sondern jene, die von "Gefährdern" sprechen.

Zitat:

Bedrohung ist subjektiv und damit relativ. Sie bestimmt sich nicht im Verhältnis zu einem irgendwie messbaren Gefahrenpotenzial, sondern anhand der Risiken, die jeder von uns wahrnimmt. In einer zunehmend sicheren Welt richtet sich die Angst auf immer kleinere oder unwahrscheinlichere Szenarien. [...]

Wir wissen, dass wir nach aller berechenbaren Wahrscheinlichkeit am ehesten beim Putzen des Bads oder im Auto eines unnatürlichen Todes sterben werden. Trotzdem bekommen wir keine Gänsehaut beim Anblick unseres Badezimmers. Autohersteller werden nicht von der Polizei überwacht, obwohl es, gemessen an den Todeszahlen, naheliegender wäre, einen "Krieg gegen den internationalen Straßenverkehr" auszurufen. [...]

Selbst wenn wir davon ausgingen, die "Kofferbomber von Köln" hätten Erfolg gehabt, bedroht Sie das mit einem Risiko von eins zu vier Millionen. Rund siebenmal wahrscheinlicher ist es, als Kind zu ertrinken. Natürlich kommt trotzdem niemand auf die Idee, Schwimmbäder oder Badeteiche zu verbieten. Aber 76 Prozent der Deutschen geben an, dass sie Angst haben, Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden. (Quelle: Zeit.de)

Leider beleuchtet der Artikel nicht weiter die Frage, warum Polizei, Geheimdienste und Innenpolitiker auf Landes- und Bundesebene sich so sehr vor den Karren der irrationalen Ängste der Bevölkerung spannen lassen. Bei anderen politischen Themen geschieht dies ja auch nicht, da sind Politiker durchaus in der Lage Politik gegen den Stammtisch oder gegen populäre Missverständnisse durchzusetzen. Meine These ist, dass die Sicherheitsbehörden und Innenpolitiker bei diesem Thema nicht etwa Getriebene, sondern Treibende sind. Die gefährlichen Nebenwirkungen von immer intensiveren "Sicherheits"-Maßnahmen werden von diesen Leuten nicht nur hingenommen, sondern diese Nebenwirkungen sind sogar auf Seiten mancher Politiker erwünscht. Man muss sich nur ansehen, wie Schäuble, die CDU, die Generalbundesanwältin und manche Medien vermeintliche Ermittlungserfolge gegen Terrorismus politisch ausschlachten oder wie Sicherheitsbehörden Hand in Hand mit manchen Politikern Politik gegen vermeintlich hochgefährliche linke Gruppen (G8-Gegner) machen...

Freitag, 7. August 2009

SPD weiter auf politischen Abwegen ins extremistische Lager: Teile der SPD-Bundestagsfraktion befürworten Netzsperren bei Urheberrechtsverletzungen

(Via Fefe) SPD fordert Anti-Pirateriegesetz nach französischem Vorbild (Digitale Linke)

Zitat:

Die filmpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Angelika Krüger-Leißner, hat in der Juli-Ausgabe der Zeitschrift promedia (nur in der Printfassung zugänglich) gefordert, im Internet den "Schutz des geistigen Eigentums" nach französischem Vorbild sicherzustellen. Dazu ist sie bereit, auch Grundrechte über Bord zu werfen – so jedenfalls belegen es ihre Interview-Äußerungen: "In Deutschland ist manches schwieriger als in anderen Ländern. Wir haben starke Grundrechte in unserem Grundgesetz verankert, aber die hindern uns manchmal einfache, klare Lösungen zu finden. Als ich gehört habe, wie die Franzosen das Problem der Piraterie lösen wollen, habe ich mich gefragt, warum wir das nicht hinbekommen." [...]

["]Wir neigen immer dazu, komplizierte Lösungen zu finden, während die französische eine simple Lösung ist, die auf den ersten Blick einleuchtet." (Quelle: Blog.Die-Linke.de)

"Franzöisches Vorbild" heißt in diesem Fall, dass Urheberrechtsverletzern von einer Behörde auf Zuruf der Musikindustrie für lange Zeit jeglicher private Zugang zum Internet verboten wird. "Französisches Vorbild" heißt, dass Bürger massiv in ihrer informationellen Sebstbestimmung behindert werden. "Französisches Vorbild" heißt, dass Bürger massiv bei der demokratischen Mitwirkung in der Gesellschaft und in ihrer Berufsausübung und in ihren Kontakten und in ihrer Kommunikation mit Freunden und Familien behindert werden. Und das nur, weil eine sterbende Industrie, deren Dienstleistungen technisch überflüssig geworden sind, fiktive Schäden anzeigt.

Das "Französische Vorbild" im Umgang mit Urheberrechtsverletzern ist somit vor allem eines: Ein Vorbild der Unverhältnismäßigkeit und Inkompetenz und mit seinen Beschränkungen der Bürgerrechte ein schwerer Angriff auf das Grundgesetz und die Demokratie.

SPD weiter auf politischen Abwegen ins extremistische Lager: SPD-Chef Jurk in Sachsen nähme Verstoß gegen Grundgesetz in Kauf

Streitfall Web-Sperren entzweit die SPD (Heise.de)

Zitat:

Der sächsische Wirtschaftsminister Thomas Jurk von der SPD ließ sich in einem von der Freien Presse organisierten l Chat derweil gegenüber einem von ihm ausgemachten "Piraten" trotz seines abgelegten Eids auf die Verfassung zu einer gewagten Aussage verleiten: "Wenn wir gegen das Grundgesetz verstoßen, weil wir Pädophilen unmöglich machen kinderpornografische Bilder aus dem Internet herunterzuladen, dann nehme ich das in Kauf", erklärte der SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Sachsen. (Quelle: Heise.de)

Mensch, was für ein mutiger Mann, dieser SPD-Spitzenkandidat! Hat keine Scheu, das von vielen als so wichtig erachtete Grundgesetz zur Seite zu schieben! Wie engagiert von dem SPD-Mann! Unerschrocken gegen Verbrecher! Harte Hand gegen Kriminelle! Weg also mit diesem überflüssigen Balast namens Grundgesetz! So will ich die SPD sehen: Motiviert, auf Seiten des einfachen Mannes (der bei "Grundgesetz" eh nur "Bahnhof" versteht), engagiert gegen das Böse in der Welt. Nur so kann die SPD nämlich gegen ihren in Zukunft wichtigsten Konkurrenten dort unten im Lager der Unter-Fünf-Prozent-Parteien bestehen. Wenn dort unten im Sumpf die SPD nicht extremistische Töne anschlagen würde so wie dieser Murks, äh Jurks, äh Jurk, würde sie vermutlich nämlich glatt noch weniger Stimmen bekommen als die NPD. Die SPD kennt nämlich ihre Gegner und weiß total ganz genau, was ihre potenziellen Wähler wollen. Also: Weiter so!

Donnerstag, 6. August 2009

Grüne unterstützen Europakurs der CSU bei Diskussion um mehr Rechte für Bundestag auf EU-Ebene

Europapolitik: Grüne unterstützen Europakurs der CSU (Süddeutsche Zeitung)

Zitat:

Eine Stärkung des deutschen Parlaments in der Europapolitik sei immer schon eine Forderung der Grünen [...]. In einem vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestages im Auftrag der Grünen erstellten Entwurf des Begleitgesetzes heißt es: "Gibt der Bundestag eine Stellungnahme ab, legt die Bundesregierung diese ihren Verhandlungen zugrunde." Abweichungen erlaubt der Entwurf nur aus "wichtigen außen- und integrationspolitischen Gründen". [...]

SPD und FDP haben bereits klargestellt, dass sie eine Verbindlichkeit der Stellungnahmen des Bundestages ablehnen. Auch aus der CDU wurde zum Teil scharfe Kritik an dem Vorstoß der CSU geäußert. (Quelle: Sueddeutsche.de)

Die Grünen gelten ja bislang als absolute Pro-EU-Partei in Deutschland. Und die CSU als neue Anti-EU-Partei. So zumindest häufig die oberflächliche Darstellung in den Medien. Mal sehen, wie die Spindoktoren von SPD, FDP und CDU mit diesem "Bündnis" aus Grünen und CSU jetzt umgehen: Die Grünen zu Anti-Europäern erklären oder die CSU zu verantwortunglosen Spinnern? Irgendwie nicht glaubwürdig. Das schaffen selbst die Spindoktoren nicht. Ah, ich ahne, wie man mit diesem kleinen Aufkeimen von Sachpolitik umgehen wird bei SPD und CDU und somit auch beim größten Teil der deutschen Medien: Ignorieren.