Sonntag, 6. Januar 2008

Neoliberal, konservativ: Prof. Hamm über die merkwürdig zahmen Medien in Deutschland

"Gerade das vermeintlich Unpolitische ist in höchstem Grade politisch" (Telepolis.de)

Ein Interview mit Bernd Hamm, Professor für Siedlungs-, Umwelt- und Planungssoziologie an der Universität Trier über die Medienmacht in Deutschland und ihren äußerst starken politischen Einfluss.

Auf die Frage, warum die deutschen Medien so wenig kritisch sind gegenüber den bestehenden Verhältnissen, antwortet Hamm:

Es funktioniert aus drei Gründen nicht mehr:

Erstens ist der Konzentrationsprozess in den Medien rasch fortgeschritten, sowohl international als auch in Deutschland. Es sind nur noch wenige Konzerne, die die Medienlandschaft beherrschen.

Zweitens neigen die Eigentümer – von Springer über Bertelsmann, Bauer, Burda oder Holtzbrinck – alle einem politisch konservativen, wirtschaftsfreundlichen, sozial und ökologisch wenig sensiblen Weltbild zu. [...] Viel deutlicher wird das allerdings bei der Bertelsmann-Stiftung, die die Zwangsamerikanisierung unserer Hochschulen, den betriebswirtschaftlich – statt am Gemeinwohl – ausgerichteten Umbau der Kommunalverwaltungen mit grossem Erfolg mit betrieben hat. [...]

Das gilt aber auch für den wenig sichtbaren schwäbischen Riesen Holtzbrinck: Der hat inzwischen (neben zahlreichen Zeitungen) alle wichtigen Taschenbuchreihen (bis auf Suhrkamp) aufgekauft und sogleich kritische Reihen – wie Rororo-Aktuell oder Fischer alternativ – eingestellt.

Drittens hängen heute alle Medien entscheidend von den Werbeeinnahmen ab. Auf weite Strecken kann man sagen, dass die redaktionellen Teile dazu dienen, der Werbewirtschaft die entsprechend selektierten Publika anzuliefern. Das aber hat zur Folge, dass sich alle Medien heute durchgehend an den Einstellungen und Wünschen der kaufkräftigen Mittelschicht orientieren. (Quelle: Telepolis.de)

Soweit zu den Ursachen der politischen Eintönigkeit bei den meisten deutschen Medien.

Aber auch zu den Folgen hat Hamm etwas zu sagen:
Es ist doch auffällig, wie sehr sich das Spektrum der politischen Diskussion bei uns verändert hat: Wenn es in den späten sechziger Jahren "links" war, über die Enteignung von Springer, über die öffentliche Kontrolle der Grossbanken nachzudenken und die in der UNO diskutierte Neue Weltwirtschaftsordnung zu begrüssen, wird heute schon als "links" verschrien, wer die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für Ältere verlängern will. Wir sind uns gar nicht bewusst, in welchem Ausmass hier eine Gehirnwäsche stattgefunden hat, die Themen jenseits des neoliberalen Mantras einfach nicht mehr zulässt. (Quelle: Telepolis.de)

Hamm verweist nebenbei auf ein interessantes Lob von Springers "Welt" in Richtung Spiegel, nämlich in Form einer Mahnung der "Welt" an den "Spiegel", nach Austs Weggang nicht wieder vom "rechten Weg" abzukommen.

Hamm meint, dass die bürgerlichen Medien alle politisch eine eigene Agenda verfolgen:
Dazu gehört auch, dass die Medien systematisch verschweigen, was unsere Gesellschaften im Innersten umtreibt: die Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit, das, was Marxisten Klassenkampf nennen. Medien sind hier Partei, nämlich Teil des Kapitals und von ihm abhängig, und werden schon deshalb alles unternehmen, unsere Gesellschaft als wenigstens dem Prinzip nach sozial gerecht und demokratisch darzustellen, auch wenn das längst nicht mehr mit der Wirklichkeit übereinstimmt. (Quelle: Telepolis.de)

Hamm sieht vor allem im Internet die Möglichkeit, sich umfassender zu informieren und den Manipulationen der "etablierten" Medien etwas entgegen zu setzen. Allerdings stellt sich hier dem Konsumenten auch und vor allem im Internet die Frage, welchen Informationen er vertrauen kann. So schließt Hamm:
In jedem Fall kostet das Informieren über die Geschehnisse der Welt heute viel Zeit und viel Geld. Das können sich die meisten nicht leisten. [...] Informieren ist zu einem eigenen Beruf geworden, zu einem Privileg, das sich nur wenige leisten können. Wir leben, das ist nicht mehr zu übersehen, in einer manipulierten Gesellschaft. George Orwell hat sie 1948 vorhergesehen und beschrieben. Er hatte erschreckend recht. (Quelle: Telepolis.de)

Aus dieser Perspektive besehen wird mir auch deutlicher, warum es mich dazu drängt, meine Freizeit fast vollständig mit dem Suchen und Sammeln von Informationen im Internet zu verbringen und dieses Link-Sammel-Weblog hier zu betreiben.

1 Kommentar(e) vorhanden:

Anonym hat gesagt…

Dem Politikaster wird Tür und Tor geöffnet, der Bürger wird beliebig manipuliert.

Eine passend aus dem Hut gezauberte Liechtenstein-Affäre lenkt von dem weitaus schwerwiegenderen Skandal bei den Landesbanken ab. Doch wen kümmert dies? Es ist doch nur ein Bauernopfer, das dem Volk gefällt wie einst die Kämpfe der Gladiatoren.

Natürlich wird es von Tag zu Tag schwieriger, die Spreu vom Weizen zu trennen und den wahren Informationsgehalt einer Nachricht zu erkennen.

Es schadet keinesfalls, damit umzugehen, wie man auch eine Werbe-Botschaft hinterfragen kann.

1.
Wer ist der Nutznießer, nur der Hersteller/Verkäufer, oder auch der Kunde?

2.
Was vordergründig beworben wird, dürfte vsl. nicht vorhanden sein (klassisches Beispiel das Aroma des Kaffees).

Mir hilft gelegentlich, mich über undefinierbares lustig zu machen. So wurde aus meinem vermeintlich unpolitischen Hund ein neo-liberaler, der es für möglich hält sein Freund könnte neo-konservativ sein.
http://hundeseite.wordpress.com/