Mittwoch, 16. April 2008

Welt.de warnt: Schulbücher lehren nicht die Heilslehre des Neoliberalismus!

Kapitalismuskritik: Schulbücher hetzen gegen die Marktwirtschaft (Welt.de)

Oh weh! Der Feind sitzt mitten unter uns! Rettet den Kapitalismus! Die extremistischen Kommunisten haben schon die Schulen und die Schulbuchverlage unterwandert!

Ausschnitt:

Die Autoren von "Diercke Erdkunde 9" scheinen nicht gerade begeisterte Freihändler zu sein. Im Themenabschnitt "Welthandel" erläutern sie, was die Folgen von Marktöffnungen sind: Entlassungen, Entlassungen, Entlassungen. Zunächst wird die Aufhebung der Mengenbeschränkungen im weltweiten Textilhandel besprochen. Diese gefährde Arbeitsplätze in Ländern wie der Türkei oder Mexiko. Die Liberalisierung des Kaffeemarktes habe für die Arbeiter ebenso schlimme Folgen, wie diese Passage den Schülern klarmachen soll: "Kaffee ist nach Erdöl der wichtigste Exportrohstoff. Bis 1989 hatte die CEO (Internationale Kaffeeorganisation) dafür gesorgt, dass der Kaffee einen Mindestpreis erzielte. Seit diesem Zeitpunkt besteht aber das Gesetz des freien Handels. Folge war ein deutlicher Preisverfall [...]

Der findige Schüler kann jedoch einem kleinen, aber sehr informativen Kästchen am Seitenrand entnehmen, dass 43,5 Prozent des Endverbraucherpreises für Kaffee aus Steuern und Abgaben an den Staat bestehen. Warum, fragt man sich, weisen die Autoren nicht im Text darauf hin und schimpfen stattdessen auf die Zwischenhändler? (Quelle: Welt.de)

Ja, die bösen Steuern! Vernichten die Wirtschaft und den Wohlstand...

Auch das in Schulbüchern vermittelte Konzept, dass man mittels staatlicher Programme gegen Kinderarbiet vorgehen sollte, sei keine Lösung, weil das ja wieder Steuergelder koste:

Kinderarbeit ist ein noch viel zu verbreitetes Phänomen und gehört nicht in eine moderne Welt. Leider vermittelt der Text jedoch den Eindruck, dass es das Fehlen von staatlichen Regulierungen und Steuern (!) ist, das solche Arbeitsverhältnisse überhaupt erst erzeugt. Außerdem entsteht geradezu der Eindruck, der Staat müsse die Kinder vor ihren eigenen Eltern schützen. (Quelle: Welt.de)

Der Welt.de-Autor bezeichnet dann noch die Schulbuch-Autoren des "Diercke-Atlas" als weltfremde "Gutmenschen".

Sicherlich sind die Probleme der Globalisierung in Schulbüchern nicht ausreichend differenziert dargestellt. Aber der Welt.de-Autor verkauft als einziges Rezept gegen die Armut anscheinend die völlige Deregulierung der Wirtschaft. Dass dabei die Schwächeren weiter und stärker ausgebeutet würden, kommt ihm anscheinend nicht in den Sinn.

Die Schilderung der sozialen Marktwirtschaft in den Schulbüchern nennt der Welt.de-Autor sogar schließlich noch "unmoralisch" und "parteipolitisch".

Was den weltweiten "Freihandel" betrifft: Der hat häufig den Begriff "Freihandel" übrigens gar nicht verdient. Denn bei den sogenannten Freihandelsabkommen läuft häufig ein erpresserisches Spielchen ab, bei dem den armen Ländern der Zugang zu den Märkten der Industrienationen zu unfairen Preisen verkauft wird. Aber darüber informiert der Welt.de-Artikel leider nicht.

Die sogenannte "deregulierte" Marktwirtschaft ist eben häufig gerade kein Ort, wo Gleichheit und Freiheit herrscht. Der Welt.de-Artikel ist genau das, was er den Schulbuchautoren vorwirft: Dreiste Propaganda einer extrem eindimensionalen, ja fast religiös ausgeformten neoliberalen Heilslehre. Mit ernstzunehmender Wirtschaftslehre hat der Artikel jedenfalls nichts zu tun.

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