Freitag, 19. Dezember 2008

Berichterstattung über LBB-Datenskandal: Deutsche Medien verarschen Leser und Zuschauer

LBB-Affäre schrumpft zur Posse: Datenskandal aus der Weihnachtsbäckerei (Stern.de)

Viele deutsche Medien wie zum Beispiel Stern.de, Zeit.de oder auch die "Heute"-Sendung des ZDF verarschen ihre Leser und Zuschauer derzeit mit der Meldung, dass der Datenskandal rund um die verlorengegangenen, hochsensiblen Kontendaten der Landesbank Berlin eine reine Posse gewesen sei. Dass es gar keinen Datenskandal gegeben hätte, sondern nur einen "vermeintlichen" Datenskandal.

Welt.de schreibt beispielsweise:

Und dann war es doch nur der große Appetit: Zunächst sah alles nach einem der größten Datenskandale der vergangenen Jahre aus. (Quelle: Welt.de)

Kein Datenskandal mehr, weil das Paket mit den Kontodaten von kriminellen Zustellern falsch zugestellt wurde?

So als ob die Tatsache, dass Paketzusteller im Paketverteilungszentrum wahllos fremde Post öffnen und falsch zustellen irgendetwas an dem Skandal, dass die Landesbank Berlin ungesichert und unverschlüsselt intimste Daten ihrer Kunden durch die Gegend schickt und so als ob die Tatsache, dass ein Finanzdienstleister solche Daten immer noch auf Mikrofiches speichert, die keinerlei technischen Zugangsschutz ermöglichen, das ganze zu einer "Posse" machen würden.

Abgesehen davon klingt die Story extrem unglaubwürdig: Warum sollten Kurierfahrer eine Sendung umetikettieren? Wie soll so etwas ihr vorheriges Verbrechen, die Zerstörung einer anderen Sendung also, verschleiern? Kurierfahrer mit einem IQ größer als 60 (unter 60 gilt man gemeinhin als schwachsinnig) würden die zerstörte Sendung einfach nicht zuschicken, sie notfalls bei Nachfragen irgendwie als "verloren" angeben. Eine umetikettierte Sendung jedoch muss zwangsläufig Nachfragen auslösen, nämlich dann nicht mehr nur beim eigentlichen Empfänger, dem ja weiterhin ein Paket fehlt, sondern nun auch beim falschen Empfänger, der einen Irrläufer bekommt. Statt einer Verschleierung macht eine solche Umetikettierung also erst Recht aufmerksam darauf, dass etwas falsch gelaufen ist. Statt eines einzigen "Fehlers", erzeugten die Kuriere so zwei "Fehler" im Paket-Zustell-System.

Man könnte noch weitere Fragen stellen. Zum Beispiel, wie die Kuriere erkannt haben wollen, dass in der einen Sendung ein Christstollen transportiert wurde. Schließlich war das Motiv ihres Vorgehens ja angeblich "Hunger". Und man könnte anschließend fragen, wie es dazu kommt, dass die Polizei solch eine Story als "Lösung" des Falls verkauft.

Misstrauen würde sich lohnen bei diesem Fall. Schließlich gibt es mächtige wirtschaftliche Interessen, die diesen Vorfall sicherlich gerne als einen Einzelfall, als ein Kuriosum dargestellt haben wollen. In Wirklichkeit jedoch offenbart der Vorfall ein breites Versagen im gesamten Datenschutz-System der Landesbank Berlin und beim Finanzdienstleister Atos-Worldline. Die unglaubwürdige Story, die heute in den Medien präsentiert wird, lässt eher darauf schließen, dass mit ihr eventuell noch größere Sauereien verdeckt werden sollen.

Nur leider fielen den meisten deutschen Medien diese Ungereimtheiten und offenen Fragen nicht auf. Da wurde in den Redaktionen von Stern, Welt, Zeit und ZDF-Heute wohl schon ordentlich gesoffen heute, dass diese Story jetzt in dieser Form unters Volk gebracht wird. Weihnachtsfeier lässt grüßen, vermute ich? Hey, Journalistenpack: Bitte serviert die Folgen solcher Weihnachtsfeiern dann nicht euren Lesern und Zuschauern in Form solcher Verarschungsmeldungen. Danke.

0 Kommentar(e) vorhanden: