Montag, 8. Dezember 2008

"Wind of Change" in Großbritannien immer deutlicher zu spüren: Provider sperren teilweise Wikipedia

Britische Provider sperren Wikipedia-Artikel (Heise.de)

Mindestens sechs britische Internetprovider sperren für ihre Kunden den Abruf eines Wikipedia-Artikels über das 1976 erschienene Album "Virgin Killer" der Band "The Scorpions" wegen des im Wikipedia-Artikel zu sehenden Covers der Schallplatte. Das Cover zeigt ein nacktes, circa zwölfjähriges Mädchen. Die anscheinend als anstößig empfundene Bilddatei selbst wurde von den Providern jedoch nicht gesperrt, sondern nur der Zugriff auf den Wikipedia-Artikel. Das ganze funktioniert wohl, weil die Kunden der Provider nicht wirklich im Internet surfen, sondern nur über einen transparenten Proxy-Server ihrer Provider wie durch einen Tunnel ans Internet angeschlossen sind.

Ich weiß schon, was als Nächstes kommt: Schäuble und von der Leyen werden fordern, dass der Internetzugang in Deutschland nur noch per Zwangsproxy möglich sein soll. Wetten?

Warum die Provider jedoch den Wikipedia-Artikel sperren und nicht das Bild, ist ein ungelöstes Rätsel. Genauso die Frage, ob das Cover tatsächlich "Kinderpornografie" ist.

The Register meldet, dass die inhaltlich ansonsten völlig uninteressante Wikipedia-Seite über das Album "Virgin Killer" der Scorpions und das Cover-Bild jetzt in Großbritannien zu den am meisten angesurften Wikipedia-Inhalten gehören. Der Internetzensurversuch hat also wieder einmal das genaue Gegenteil dessen erreicht, was von der britischen Zensurinstitution wohl intendiert war.

Fazit:

  • Ein besonders perfides Element dieser britischen Art der Internetfilterung ist, dass dem Internetnutzer nicht etwa gesagt wird, dass ihm ein Inhalt vorenthalten wird, sondern es wird ihm eine Lüge aufgetischt, dass nämlich die angesurfte Webseite nicht gefunden werden konnte. Was zensiert wird und dass überhaupt etwas zensiert wird, ist den armen britischen Bürgern also zunächst unbekannt. Der angeblich mündige Bürger, der angebliche Souverän des Staates hat also keinerlei Möglichkeit, diese Zensur in Frage zu stellen und zu kontrollieren.
  • Wird der Zensurversuch bekannt, wird der zensierte Inhalt wegen der Internettechnologie plötzlich nicht mehr unterdrückt, sondern erfährt im Gegenteil eine vielfach größere Verbreitung und Aufmerksamkeit als vor der Zensur.
  • Leute, die wissen, wonach sie suchen, werden im Internet immer Möglichkeiten finden, Zensur zu umgehen.
  • Es wird also letztlich nur jemand geschützt, der beiläufig auf etwas stößt, wonach er nicht gesucht hat und dem er vermutlich auch keine große Aufmerksamkeit zukommen lassen würde.
  • Die Frage, wie schädlich ein zensierter Inhalt tatsächlich ist und ob der Bote für den Inhalt verantwortlich ist, ob also Provider für das verantwortlich sind, was Kunden über ihre Leitungen transportieren, ist damit überhaupt noch nicht behandelt.

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