Tapsig, wenn nicht perfide (Berliner Zeitung)
Ein Kommentar zu diesem Vorgang, bei dem das LKA Berlin ("Staatsschutz") die Grundrechte von Bürgern massiv beeinträchtigt hat (Wohnungsdurchsuchung, Beschädigung von Eigentum), um etwas nachzugehen, das zunächst überhaupt gar keinen Kläger hatte.
Aber es geht noch weiter: Das LKA hat im Zuge ihrer aufwändigen, fragwürdigen Ermittlungen, Adressdaten von Antifaschisten an Neonazis weitergegeben.
Der Polizeipräsident rudert nun zurück. Die Berliner Zeitung berichtet in einem anderen Artikel über die Hintergründe:
Am vergangenen Mittwoch hatten Staatsschützer drei Kreuzberger Wohnungen durchsucht. An der Adalbertstraße traten sie sogar die Tür ein, weil niemand öffnete. Gefunden wurde nichts. Anlass der Ermittlungen ist ein Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz, welches das Recht am eigenen Bild regelt. Bereits im Jahr 2005 hatten Beamte in Prenzlauer Berg ein Plakat mit 36 Fotos von Neonazis gefunden. Die Porträts waren offensichtlich bei Demos ohne Wissen der Rechtsextremisten gemacht worden. Das LKA ermittelte gegen die Urheber des Plakats und mehrere Fotografen, darunter einige Journalisten. Als dies öffentlich wurde, mussten die Ermittlungen eingestellt werden. Denn Verletzungen des Persönlichkeitsrechts können nur nach einer Anzeige des Betroffenen geahndet werden - und damals gab es keine Anzeige.
Im September 2007 entdeckten LKA-Männer in Zivil an einem Antifa-Infostand in Mitte erneut ein Plakat mit Neonazi-Porträts. Um auch ermitteln zu können, schrieb der Staatsschutz die fotografierten Neonazis an und wies sie ausdrücklich darauf hin, dass sie Strafantrag stellen können. Von dem Angebot der Polizei machten die meisten Fotografierten dann auch Gebrauch. (Quelle: BerlinOnline.de)
Auch der Tagesspiegel berichtet: Namen von Antifaschisten an Rechstextreme weitergegeben (Tagesspiegel).
Aber Jan Thomsen von der Berliner Zeitung fragt sich, wie es eigentlich überhaupt zu diesem seltsamen Ermittlungsverhalten des Berliner LKA kommen konnte:
Es geht um die schlechte Fotokopie eines schlecht gedruckten Plakats mit den schlecht fotografierten Konterfeis intellektuell verarmter Mitbürger aus der rechten Szene. Jene schlechte Kopie haben kürzlich drei Linke, die sich selbst stolz Antifaschisten nennen, auf einer Versammlung gezeigt, um vor den schlecht kopierten Mitbürgern und ihren Ansichten zu warnen. Das ist, was sonst, allenfalls eine Geste mit Symbolgehalt: Man demonstriert seine unermüdliche Wachsamkeit. Aber eine politische Straftat - oder, so versteht der Staatsschutz offiziell seine Aufgabe, eine "erhebliche Gefahr für das friedliche Zusammenleben der Bürger unserer Stadt"? [...] Wie erstaunlich: Der Staatsschutz, Wächter des Friedens in der Hauptstadt, scheut keinen Aufwand, um das im Kunsturhebergesetz verbriefte Recht aufs eigene Bild durchzusetzen? Ist das Extremismusbekämpfung der höheren Art - oder was?
Im Zuge dieser seltsamen Ermittlungen sind Türen mit Rammböcken gestürmt worden, und es wurden die Namen der Linken an die Rechten weitergegeben - die diesen kostenlosen LKA-Service sofort für ihre Propagandazwecke zu nutzen wussten. Tapsiger, wenn schon nicht perfider, kann man im Namen des inneren Friedens wohl kaum vorgehen. (Quelle: BerlinOnline.de)
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